Mit was wird der brennende Wald gekühlt

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ist ein Bild voll des süssesten romantischen Zaubers. Diese duftigen Regenwolken, die das anmuthige Thal, in welches dort oben vom Berge das alterthümliche Kloster hineinragt, nachdem sie es leise benelzt und gekühlt haben, eben zu verlassen anfangen; die reiche blühende Kräuterwell im Vorgrunde, durch welche von jenes hochstämmigen Buchen her der Pfad des Priesters mit dem Allerheiligsten und des ihm nachwandelnden Chorknaben den Berg hinabwärts führt, — dies Alles kann bier nur mit wenigen Worlen zur Andeutung kommen. Auch der später, vielleicht zu spät ausgeführte (nach Berlin in den Besitz des Hrn. Bendemann gekomme) alte müde Kreuzritter, der auf ebenso müdem Rosse einsam durch eine einsame Berggegend zieht, gehört unter die romantischen Dichtungen Lessings aus derselben Zeit

, zugleich aber unter diejenigen Compositionen des Meisters, wo die Zeichnung, die Farbenskizze, entschieden schöner und poetischer ist als das nachgeborne Gemälde.

Die Landschaft mit Brandslälte (auch „das brennende Räubernest“ genannt, durch den Stich von G. Umbach bekannt) erinnert durch die Staffage an die verwilderten Zustände, wie sie am Rheine gegen Ende des vorigen Jahrhunderts stattfanden; doch mag der Meister damit noch andre Motive — besonders die Vorstellung eines Guerillaskrieges wider einen von aussen in die deutschen Gauen einbrechenden Feind — verbunden und verwoben haben. Auf das Letztere deutet wenigstens dje preussische Militärflinte neben dem todten Manne, der am Abhang des Berges hingestreckt ist. Das enge Thal, das sich vor uns austhut und in dessen dunklem Grunde ein Flüsschen wild zwischen den Felsen hinwallt, trägt den Charakter der NebenthäJer des Rheins. Auf der uns zunächstliegenden Bergseite bemerken wir zwei Gebäude, die ein Opfer der Flammen geworden sind. Noch glimmt die Glut an dem zusammengestürzten Holzwerke und leuchtet schauerlich aus dem Innern der rauchgeschwärzten, ode stehenden Mauern hervor. Dass blutige Thaten geschehen sind, von welchen der Brand jener Häuser nur wie ein geringes Nebenspiel war, das beweist der Erschlagene, der unten auf das Gesicht gesunken und im rheinischen Kittel da. liegt. Der Himmel stimmt damil, denn er ist schwarz und foster, und der Slurm wühlt furchtbar in dem Baume an der Wendung des Berges.

Nächst der eben besprochenen Landschaft entstanden im J. 1835 eine ,,Felsenlandschaft im Regenweller“ (bei Hrn. Wagner in Frankfurt am M.) und die ,,Herbstlandschaft mit zwei Reitern's, die man beim Frhrn. von Spiegel in Halberstadt Andet. In der letztern Landschaft barmonirt das gelbrölhlich gefärbte Laub des Eichenwaldes im Hintergrunde bewundernswürdig mit dem schwarzen Gewitterhimmel. Im Vorgrunde ein Hügel mit Tannen und Haide bewachsen, und weiter nach dem Walde bin passe Wiesen mit Pfützen. Zwei Reiter traben auf einem breiten Hohlwege. Aus dem J. 1830 datirt eine grossartige Eifellandschaft (wenn wir nicht irren, befindet sich dieselbe bei Hrn. Brockhaus in Leipzig) und die Darstellung einer Gegend im Charakter der Nahe (bei Hrn. von St. George in Frankfurt am Main). Jene Eifellandschaft, die bedeutsamste unter mehren grössern Lessingschen Schilderungen der Eifel, zeigt die Natur dieses merkwürdigen Landstrichs in ihrer höchsten Majeslät und schliesst sich durch die imponirende Gewalt der in ihr hervortretenden Slimmung am meisten an die lyrischen Landschaften des Meisters an, wiewohl sie in andrer Beziebung, wegen des reicheren darin umfassten Naturinhalts, von der Mehrzahl derselben wesentlich getrennt bleibt. Ein breit sich erstreckender vulkanischer Berg, der sich hell gegen den gewitterschwarzen Himmel und einen zu seinen Füssen im Mittelgrunde der Landschaft ruhenden See absetzt, füllt die grössere Hälfte des Hintergrundes. Links von demselben, am Ufer des Sees hin breitet sich ein Wald von grösserem Umfange aus, der sich im Vorgrunde, um ein daselbst liegendes Heiligenhäuschen her, in einzelne Baumgruppen verliert. Der Eindruck des Ganzen ist der eines geheimnissvollen Schauers. Jener so hell hervorstralende, mit schwarzer Welternacht gekrönte, in ausgebrannter, verwilternder Hoheit thronende Vulkan scheint der auf das bieranziehende Unwetter in ängstlicher Stille lauschenden Gegend von den weit schreckenvollern Wundern und uralten Naturrevolutionen zu erzählen, als deren Denkmal er dasteht. In dem andern Naturbilde, der Charakterschilderung einer Gegend des Nahethals, finden wir eine grüne und regendasse Landschaft mit Fluss und Bergen ; im Hintergrunde gewahrt man noch Regenschauer, während nach vorn der Himmel sich aufheitert. Aus einer sonnenbeleuchteten Wolke verbreitet sich zaubervoller Lichtglanz.

Vom J. 1837 datirt die berühmte Landschaft mit der Eiche, eine grosse Wald- und Felsenlandschaft, die von Lessing zweimal, in verschiedenem Format, ausgeführt worden ist. Das eine Exemplar ist dem Maler Steinbrück, das andre dem Hrn. John in Frankfurt am M. zugefallen. Man glaubt in dieser Landschaft das herrlichste Eichendorffsche Gedicht oder eine Tiecksche Waldpoesie in Farben ausge

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leise gehobenen Fingern der kleinen Hände? Wahrlich, hätte Hildebrandt nichts als diese Knaben gemalt, er hätte seinen göltlichen Beruf zur Kunst, der ja vor Allem in einem können besleht, mehr als mancher Andre bewährt, dessen guter Wille zwar unendlieh weit über die bescheidene Darstellung eines schlummernden Kindes hinaasgreift, der uns aber nirgends auf seinen Bildern einen solchen Blick in die Tiefen der Natur und des Lebens öffnet.“ - Auch Steinbrück und Kretzschmer haben die Erscheinungen und Zustände der Kindheit zu einer Aufgabe ibres Pinsels gemacht pod sich mit entschiedenem Glück in der Darstellung derselben versucht; aber keinem ist es gelungen, in solchem Grade, mit solcher Tiefe und unbefangenen Wahrheit wie Hildebrandt in das Innerste jenes kleinen Heiligthums der Menschheit zu leuchten.

Durch seine feine Naturbeobachtung ist Hildebrandt zu einer holen Vollendung der malerischen Ausführung hingeleitet worden. Das Kleinste und Besonderste zeigt sich bei ihm bis zur wundersamsten Täuschung veranschaulicht. Seine Behandlung bleibt dabei eine freie und künstlerische, die das Ganze dem Einzelnen nicht zum Opfer bringt. Wie in der vollendeten Natürlichkeit des Details gehl er seinen meisten Kunstgenossen in der harmonischen Gesammtwirkung seiner Bilder voran. Freilicha erleichtert er sich diese letztere durch die Wahl seiner Stoffe, indem er mit Vorliebe. solebe Begebenheiten und Momente nimmt, die sich in einem abgeschlossenen, einfach erleuchteten Raume zugetragen haben oder zuzutragen pflegen. Aber strenge Naturwarheit bleibt auch hier sein Gesetz. Kraftvoll im Vortrag, vermeidet er doch jeden falschen Effekt, jede unwahre Abdampfung eines Lichtes oder Verstärkung eines Schattens, wie sie bei Franzosen und Belgiern so gewöhnlich sind. In seinen Gegenständen trifft er zwar einigemal mit französischen Meistern (z. B. mit Vernet und Delaroche) zusammen, aber er trennt sich doch entschieden von ihnen durch die ächtdeutsche Gründlichkeit der Ausführung, die dabei an Wirkung derjenigen der Franzosen nicht nachsteht. Ueberhaupt möchte bei Hildebrandts Werken das vorpehmste Gewicht nicht auf die Bedeutung und den Werth der Composition, sondern eben auf die Ausführung zu legen sein. In seiner ,,Judith“ z. B. ist die Composition sehr mangelhaft und zugleich nicht frei von Nachahmung der Vernel'schen, sonst aber ist das Bild ein durchaus tüchtiges und kräftiges Werk, höchst rühmenswerth in Kolorit und Behandlung, also äusserst entsprechend den Anforderungen an ein Galleriebild. Doch kommt es bei Hildebrandt auch umgekehrt vor, dass ium die Composilion ganz wohlgeräth und die Ausführung nicht gelingt; deu Beweis liefert für solchen Fall z. B. das wundervoll entworfene Genrebild: Kinder am Weihnachtsabend, die voll Ungeduld und freudiger Hoffnung an der Thür harren, wohinter die Bescheerung verborgen ist.

Die besten Werke dieses auf dem eingeschlagenen naiv-naturalistischen Wege sich stark füblenden Meisters legen übrigens im Compositionellen Zeugniss ab von seinem Verständniss der neuen Kunst, welche Schutz im Volksgemüthe suchen will und muss, nachdem sie die Gunst der bezopften Mäcene und fritiker verloren. Hildebraodt hat erkannt, dass, wenn die Kunst ein wesentliches Interesse im Leben erwirken, wenn ihre Unentbehrlichkeit zu einem vollständigen geistigen Dasein allgemein einleuchten soll, sie dem Volke nicht als exotisches Gewächs vorgelegt, sondern in befreundeter edler Gestaltung dem frischen Lebenssione dargeboten werden muss. In diesem Sinne sind aufgefasst: „der Krieger mit seinem Kindes und der ,,Räuber“ (beide Gemälde beim Konsul Wagner in Berlin), „Tankred und Klorinde" (bekannt durch das geschable Blatt von Friedrich Oldermann, welches als Halberstädter kunstvereiosblalt 1844–45 ausgegeben ist), die ,,Märchenerzählerin“ (eine Grossmutter mit ihrem Enkelchen, bekannt durch die Lithographie von J. Becker), der ,,kranke Rathsherpó (das Gemälde bei Hrn. von Krause in Tenzerow bei Demmin, lithograpbirt von Karl Wildt) und die „Söhne Eduards IV.“ nach Shakspere's König Richard III. (das Gem. beim Domherro Freihrn. von Spiegel in Halberstadt, gestochen von Friedrich Knolle). Im Räuber sehen wir einen kräftigen gebräunten Bandilen mit gekreuzten Beinen und der Büchse im Arme unter alten Mauertrümmern sitzend. Er hat die glühenden Blicke gesenkt und brütet missmuthig über seinen Zustand. Die Figur überschreitet kaum die Grenzen des Bildnisses und kann, da die Erinnrung an Lessings Ränder naheliegt, als eine populäre Bearbeitung dieses Vorgängers betrachtet werden. Am kranken Rathsherrn, welcher die Tochter segnet, erkennt man wie an dem sterbenden Fechter des Filesilas, wie viel von seiner Seele noch in ibm übrig ist. In den Kindern Eduards hat unser Meister sich ziemlich treu an die Scbilderung des Mordes gehallen, welche Shakspere in der 3. Scene des 4. Aktes des schon genannten Drama's gibt. Am Reizendsten musste für den Maler die Stelle sein, wo es heisst :

Das zarte Paar lag, sich einander gürtend

Mit den unschuldigen Alabasterarmen; III.

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lo dem Meister

Karl Sohn, der ebenfalls zu den Stammhaltern der Akademie zählt, begrüssen wir wieder einen der Porträtrichtung angehörenden Düsseldorfer und zugleich den Fleisch- und Frauenmaler der Schule. Er ist hier der einzig entschiedene Sensualist und steht in dieser vor dem Weiblich-Nackten sehr scheuen Schule wie vereinsamt da als Darsteller reizender Scenen. Gewiss hat Sohn von der Aesthetik des Fleisches ebenso geläuterte Begriffe wie Lessing und Bendemann von der des Herzens und Geistes. Die lebensfrische Sinnlichkeit seiner Bilder und sein Schmelz in der Carnation reden für sich selbst. Namentlich ist in seinen mythologischen Bildern die sinnliche Kraft und Freudigkeit vorherrschend, und man möchte lauter Auge sein, wie der alte Gott der Aegypter, um die reizenden, nackten Gestalten im Hylas, im Dianenbade und im Urtheile des Paris unaufhörlich betrachlen zu können. Die jugendlichste Frische und die lieblichste Anmuth der Gruppirung, wie man sie kaum erwarten sollte in unserer verhüllten und vermummten Zeil, haucht dem Zuschauer überall entgegen und verschmilzt zudem mit einer sehr eleganten und feinen Zeichnung, die aus wahrhaft antikem Schönbeitsgefühl entspringt. In der Ausführung bemerkt man leider in einigeo Theilen den Mangel einer Abrundung des Hervorstechenden durch Licht und Schallen.

Sohns bedeutendste Darstellung im mythischen Gebiet ist der ,,Raub des Hylas.“ Dieses im Besitz des Königs von Preussen befindliche Gemälde, nach welchem E. Mandel ejnen Stich und Oldermann eine Lithographie besorgt hat, zeichnet sich durch ideale Formienreinheit und Energie der Zeichnung wesentlich vor Sohns übrigen myThischen Scenen aus. Drei schöne Nymfen bemühen sich, den Jüngling, einen Liebling des Herkules, in die kristallenen Flulen hinabzuziehen. Hylas sitzt mit einem Waschgefässe in der Hand am Uferabhange, und sein linkes nacktes Bein gleitet hinab, während er das rechte auf den Boden stemmt. Seine Hüste unschliesst ein feines Gewand. Der Ton seines Fleisches ist golden und mäonlich, vom schönsten Impasto, die Carnation der Nymfen aber von silberner Klarheit und lebenswarmer Frische. Leicht konnte der Künstler, von dem lüsternen Motiv verführt, ins Weichlicle fallen, allein Formen und Kolorit duften von energischem Leben und unschuldiger Glut. Gruppirung und Charakteristik der Nymfen zeugen gleichfalls von ernsten Sludien: mil schmachtend hinreissender Sehnsucht wendet die erste ihre sanften Blicke auf den Jüngling, den sie mit einem Arme umschliesst, und mit der andern Hand das wallende Goldbaar anmuthig wiegt. Die zweite, mit schwarzen Seidenhaaren, streckt beide Arme leidenschaftlich nach dem Jüngling aus, und die dritte endlich, welche dem Zuschauer einen blendenden Rücken zuwendet, zieht den Halberschrockenen an dem herabhängenden Fusse.

Allgemeiner ist Sohn bekannt durch seine meisterhaflen Schilderungen romantischer Situationen, in welchen die hohe Lyrik der Liebe zum glühendsten Ausdruck kommt. Zu seinem ersten derartigen Bilde begeisterle ihn das an malerischen Episoden so reiche romantische Epos Torquato Tasso's, worin ihm die Schilderung des liebetrunkenen Rinaldo im Zaubergarten Armidens den Anlass zu einer höchst anziehenden Darstellung bot. In üppiger Pflanzenumhegung, welche die Gruppe in sanftem Halblichte erscheinen lässt, ruhen Rinaldo und Armida auf weichem Rasen. Er, etwas niedriger gelagert, schlingt sehnsüchtig Arm und Hand um ihre Hüften, während sein Angesicht mit dem Ausdrucke des glübendsten Verlangens an dem ihrigen hängt und seine ganze Stellung das Feuer errathen lässt, welches ihn verzehrt; das eine Bein ist angezogen, der Oberleib halb aufgerichtet, eine Lage, Welche der in Zauberbande Verstrickte im nächsen Augenblicke verlassen muss. Derselbe Ausdruck wiederholt sich an Armida, doch weiblich gemildert. Zärtlich spielt ibre Hand mit dem Haare des Geliebten; zwar sucht ihr Auge nicht so brünstig das seine, aber sichtbar freut sie sich der Leidenschaft, die sie einflösst, und alle ibre Reize sind ihm gewidmet. Die Figuren sind übrigens lebensgross, und die sittsamste Kleidung nimmt der Gruppe das Schlüpfrige zwar in der Darstellung, aber keineswegs für die Fantasie, was hier eben mit zur Aufgabe gehört. Was aber kann man nun fragen macht dieses Bild zu einer Darstellung der von Tasso im 16. Gesange des befreiten Jerusalems mit so glühenden Dichlerfarben geschilderten Bezauberung Rinaldo's? Wir sehen zwei glücklich Liebende, gewiss einen reizenden Gegenstand; allein mit Tasso zu welteifern hat der Künstler nicht vermocht. Dieser Rinaldokopf scheint ein Bildniss nach der Natur; dieser hellblaue, nicht ganz angeoehm gefärbte Leibrock gehörte nimmermehr dem glänzenden Rinaldo. Armida ist sehr schön, ein reizendes Mädchen; aber woran erkennt man die Zauberin? Das rolhvioletie Gewand lässt eine solche nicht errathen. Selbst die sehr absichtlich vom fünstler beobachtete strenge Sittsamkeit des Auges und die weibliche Zurückhallung Armidens entspricht nicht der Schilderung des Dichters, so wenig als diese liebliche Umbegung uns auf jene Zauberinsel versetzt. Es ist möglich, dass das Gemälde weniger anziehend geworden wäre, hätte der Maler dem Dichter in Allem entsprechen wollen, Sohn beweist mit dieser Gruppe nur, dass ihn Tasso zu einer Darstellung zweier Liebenden begeistert hat; das Gelingen dieser Darstellung gab aber noch keinen Grund ab, sie Rinaldo und Armida zu nennen. Die poetische Erinnerung schwächt hier den Eindruck, statt ibn zu steigern; doch ist das allgemein menschliche Verhältniss energisch aufgefasst und die Bildnissähnlichkeit des männlichen Kopfes erhöht noch die Wahrheit. Nur in Bezug auf die Tracht des Helden ist der Einfluss des Dichters minder bemerkbar, was uns nöthigt die Eriparung an Tasso festzuhalten, obschon wir derselben, zum vollen Genuss des Bildes, entfliehen möchten. (Dies vom J. 1828 dalirende Bild, dessen schöne Farben bereits stark nachgedunkelt haben, ist im Besitze des Priozen Friedrich von Preussen. Lithographirt kennt man es von B. Weiss.)

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tende Stral weiblicher Geistesfrische und Intelligenz vermag nicht die Massen zu durchdringen, und so wird nur dem Auge ein behaglicher Genuss geboten. Indess spiegelt sich in Köhlers Carnalion das blühendste zarte Leben, sowie Gruppirung und Stellung von Einsicht und edler Einfachheit zengen und die Pinselführung slets geistreich ist. Im Ganzen ersieht man in Köhlers Darstellungen nur ein Vermögen, das sinnliche Gefühl zu schildern; die innersten Geisteskräfte kommen nur zu oberHächlichem Ausdruck; es fehlt an zarter Scheidung des Materiellen und Geistigen, und so mangelt auch das wahre Feuer seelenvoller Erhabenheit. Nur in der Semiramis, welche unter den Ordnen ihrer Locken losbricht und einen Aufstand dämpft, bevor sie die Flechten weiter ordnet, gesellt sich zu der Schönheit, womit Köhler zu malen versteht, eine lebendige, die Idee des Ganzen bedeutsam ausprägende Charakteristik, durch welche hier der höchste Moment der Glut einer weiblichen Herrscherseele in das vollste Licht tritt. Seinen Ruf begründete Köhler zunächst durch die aus der Jentzenschen Lithographie bekannten Findung des Mosesk na ben (1834), welches durch den landschaftlichen Hintergrund mitwirkende Bild von schöngedachter Gruppirung, reiner Natürlichkeit in Bewegung und Ausdruck, er noch einmal und zwar mit verbessernden Abweichungen vom Carlon gemalt hat (1842). Hierauf folgten: der Lobgesang der Mirjam, Jakobs und Rahels erste Begegnung und die Susanna im Bade. Das erstgenannte Hauptbild, die Semiramis, befindet sich im Besitze des Königs von Hannover und ist durch J. Giere lithograpbirt worden. (Handöversches Kunstvereinsblatt für 1844–45.)

Ein dem Julius Hübner verwandtes, mebr sanftes und liebenswürdiges als grossartiges und energisches Talent, welches ebenfalls gern alten Geschichten neue Farben verleiht und zugleich viel Sinn für das Sentimentale und Poelische zeigt, thut sich uns kund in

Eduard Steinbrück. Hermann Püttmann charakterisirt ihn folgendermaasen : E. St. gehört zu den reichbegabten, aber weichen Naturen, die bei den schönsten Ansichten und Vorsätzen ihre materielle Kraft überschätzen. Aus Mangel an Energie und Consequenz bildet sich bei ihnen ein vager Eklekticismus, und die Wahl ihrer Motive wird nicht von einer geläuterten Intuition, sondern vom Zufall geleitet. Das Schwärmerisch-Gemüthliche zieht Steinbrück vor Allem an, und der Trieb, die mystischen und zarten Fäden der romantischen Märchenwelt auf der Leinwand zu fesseln, verleitet ihn zur Grenzüberschreitung seiner Kunst. Ohne Beute und voll Irrthümer muss er aus dem Reiche des Fantastischen und Körperlosen, das sich kaum mit Worten beschreiben, aber nie mit sinnlichen Farben wiedergeben lässt, zurückkehren. Man denke an seine ,,Elfen" nach Tieck. In seinem Bilde: ,,Hagar und Ismael in der Wüste“ ist die Mutterliebe mit wehmüthigem Gefühle und auflösender Weichheit dargestellt. Die Contoren nähern sich den hagern Entsagungsgliedern des Mittelalters, während der Ausdruck der Züge aus der neuern Jammer- und Verdrusspoesie entlehnt ist. Der Luftlon des Bildes ist grau und bleiern, als Gegensatz zu dem emporgerichteten hoffnungsgläubigen Blicke der Verstossenen, in deren Schoosse das verschmachtende Kindlein ruht. Das Haupt des letztern wird sorgsam von ihrer Rechlen gestützt, und der linke Arm schmiegt sich um den welken Körper. Der Künstler hat dieselbe Situation mit etwas veränderter Decoration in seiner ,,Genovefa“ wiederholt. Hier ist die liebende, leidende Mutter mit demselben frommen und hoffenden Blicke, ohne Stolz und Kraft in wehmüthiger Hingebung dargestellt. Die Züge sind allerdings naturwahr, schön und svelte, jedoch ohne reine Erhebung und mütterliche Kraft und Ausdauer. So geht die Tendenz des schönen Märchens: energische Duldung und Standhaftigkeit in verschwimmender Sentimentalität verloren. Genovefa sitzt im Walde an einen Baumstamm gelehnt, und hält das neugeborne nackte Kind zwischen den Knieen. Hinter ihr kommt die rettende Hirschkuh aus dem Gehölze. - Höher stellen wir Steinbrücks Gemälde: „Thisbe, an der Mauerspalte horchend.“ Hier verbindet sich dem Sentimentalen eine gewisse Dosis Natürlichkeit, und selbst ein mässiger Grad von frischer Sinnlichkeit spricht aus dem glänzenden packten Rücken und den Armen des Mädchens. Vor der gesprungenen Mauer ist ein Brunnen abgebildet, zu welchem Tbisbe mit einem Gefässe in der Hand gehen wollte. Mit ihrer linken Seite lehnt sie an die Mauer, und ihr reizendes Köpfchen ist mit unendlicher Anmuth lausehend niedergebeugt. Die Formen der Jungfrau sind schlank und lieblich, uod ihre griechische Kleidung ist sehr zierlich und geschmackvoll. Das rothe Gewand ist über der Hüfte umgerollt, und Füsse und Oberkörper sind entblösst.

Grosse Weiche und übertriebene Abrundung in Linien und Formen, dabei eine gewisse Süsslichkeit in der Färbung, die den innero Ernst nicht durchdringen lässt, charakterisiren im Allgemeinen die Art seiner Malerei, während die Conception sich bald der uralterthümlichen Sagengeschichte, bald der christlichen Historie und kirchlichen Legende, bald der Wunderpoesie der Romnaolik zuneigt. In der „, heiligen Nacht“ mit Figuren von Viertellebensgrösse, welches Bild sich im Besitze des Konsuls Böcker zu Düsseldorf befindet, hat St. seine ungemeine Meisterschaft im Helldunkel bewiesen, übrigens aber Altdeutschthümeleien im Architektonischen und Figürlichen gehuldigt, die das malerisch herrliche Werk für alle die, welche es nicht mit mittelalterlicher Brille betrachten können, minder geniessbar machen. In diesem Gemälde ist die Anbetung der Hirten und der heiligen drei Könige zugleich dargestellt. Genau in der Mitte des Bildes sieht man Maria in ihrer Hülle knieend vor dem Kinde, von welchem, wie in der alten Legende und in der berühmten Correggischen Darstellung, das Licht ausstralt. Wie hier der volle Lichtschein auf einer Seite ein Mädchen, auf der andern einen Jüngling, dem ein alter Hirt zum Contraste beigegeben ist, trim, lässt Steinbrück einen von den drei über der Gruppe schwebenden Engeln, geblendet von dem Glanze, seine Augen mit der Hand bedecken. Rechts nahen die Könige aus dem Morgenlande, und der Mohrenkönig tritt mil seinem Weihrauchdust heran, und bildet einen romantischen Contrast mit dem schlichten Hirten, welcher auf der linken Seite ein Lamm zu den Füssen des Kindes niederlegt. Der die Weisen leitende Stern steht über der Hütte, und die Führer des noch etwas entfernten Zuges deuten auf ibn hin. — Unter Sleinbrücks weitern christlichen Leistungen machen sich zwei biblische Parabeln bemerklich. In der ersten derartigen Darstellung, welche 1842 vom König von Preussen erkauft ward, sehen wir das „Gleichniss vom Säemann oder vom guten und bösen Saamen.“ Immitten des Bildes erscheinen in etwa Fünftellebensgrösse der Herr Christus, streuend in den Acker den guten Saamen, und gleich hinter so gutem Säemann der Satanas, welcher das Unkraut in den Weizen wirft. Zur Seite sieht man die Engel, welche der grosse Menschensohn aussendet; der eine schneidet das Korn, ein zweiter bindet's in Garben und ein dritter wirft das Unkraut, des Teufels Aernte, in den Ofen. Die Gruppirung und Contrastirung ist sehr gelungen und das Kolorit meisterhaft; nur hat die Auffassung in diesem Mixtum von Idealem und reia Realem für uns nichts Zusagendes. Im J. 1845 sah man Steinbrücks zweites Parabelgemälde: eine figurenreiche Darstellung des „Gleichnisses vom grossen Abendmahle.“ Der Hausherr sitzt in einer offenen Halle an der mit Speisen besetzten Tafel immitten des Bildes und lädt die Armen, die Krüppel, Lahmen und Blinden ein, die sich zur einen Seite über die Stufen herzudrängen, während auf der entgegengesetzten die früher geladenen Reichen unter Entschuldigungen davongehen. Dienende Knaben, welche Wein einschenken, bilden eine Gruppe in dem miltlern vor der Tafel befindlichen Raume; an den beiden äussersten Enden des Bildes ist die Aussicht ins Freie geöffnet. Die Vertheilung der Hauptparlien der Composition zeugt von Einsicht und künstlerischer Besonnenheit; doch wallet einiges Missverhältniss in den Entfernungen der Figuren unter sich, so dass der Blick gleich anfänglich zerstreut wird und die Einheit der Wirkung darunter leidet. Von grosser Individualitat und innigem Ausdruck sind mehre, besonders weibliche Köpfe der zum Mable geladenen Armen; einige andre Gestalten, wie der Herr und seine Diener, Iragen mehr ein allgemeines, conventionelles Gepräge. Zeichnung und Kolorit sind auf tüchtiges Naturstudium begründet.

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Kluft zwischen Dichtkunst und Malerei. Während der Dichter durch das Wundermittel der Sprache, die in frischer Unmittelbarkeit alle Schwingungen des Geistes verkündet und rasch auf dem Papiere Axirbar ist, mit grössler Leichtigkeit und schöpferischester Fülle seine Fantasieen dem nicht blos aufnehmenden, sondern mehr oder minder mitthätig sich verhallenden innern geistigen Auge des Hörers oder Lesers vorführt, muss der Maler auf dem Gebiete der Fantasie sich mit maleriellster Vorspiegelung eines der Kunst zugänglichen Moments des nur in seinem Jonerauge vollständigen Bildes begnügen ; er muss ein Schaustück schaffen und auf das sinnlich wabrnehmende Auge wirken, muss ringen mit der beschränkten, durchaus materiellen Sprache der Formen, Farben und Lichter, womit er auch das Immateriellste und Geistigste sinnlich anschaubar machen soll, kann aber nie so unmittelbar und nie so unbeschränkt wie der Dichter seine innerste Anschauung zur Aensserung bringen. Der Dichter hat den hohen Vortheil, sogleich mit dem geistigen Auge des Hörers oder Lesers in Verkehr zu treten und den geistigen Geniesser seiner Werke gleichsam zum Mitdichter derselben zu machen, während der Maler zu Geniesseru seiner Werke nur Schauer hat, die er nicht wie der Dichter bei dem ganzen Gange seiner Anschauungen betheiligen kann, sondern denen er nur einen mehr oder minder glücklich herausgegriffnen Moment seines innerlich Angeschauten in mehr oder minder verständlichem Formen- und Farbenvortrage vorführen kann. Will der Maler aber einem Dichter nachdichten, so muss er vor allem gleiches dichterisches Vermögen wie dieser in sich tragen; dann wird er trotz der Beschränktheit seiner Ausdrucksmittel der Poesie mit dem Pigsel gebieten können, nur freilich nicht in Momenten, wo die Poesie über alle Natur hinausgeht und als kühnste Fantasie von keiner irdischen Beziehung mehr weiss. Steinbrück hat wenigstens gezeigt, wie weit ein guter Maler mit einem nur von den kurzen Schwingen materieller Reize getragenen Pinsel ins Reich der Geister dringen darf. Er hat als Ikaride mit wächsernem Flügelpaar dem Sonnensohn des Apollo, dem hohen Romantiker, kaum ein Streckchen nachkommen können, denn wenn man auch den Fluss der Motive und die Gruppirung in seinem Elfenbilde idealisch rein und zart finden mag, so sind doch die Elfen selbst nichts weiter als erdenhafte Geschöpfe, nackte Kinder ohne allen Durchschein von Geistigkeit, welche um ein kleines verwundertes Mädchen in einem Nachen zwischen Wasserpflanzen und Laubwerk gaukeln. Die beste Nachbildung dieses in einem Halbrond abgeschlossenen Gemäldes befindet sich in einem der letzten Jahrgänge der Lewaldschen Europa.

Die besondern Verdienste, die sich St. als Kindermaler erworben, stehen ausser Zweifel. Er hat in dieser Eigenschaft wenn auch nicht mit Hildebrandt, doch mit Hermann Kretzschmer und Andern gewetteifert. Hinreichendes Zeugniss geben sehon die lieblichen Elfenkinder, mit denen das junge Bauermädchen spielt; besonders aber erinnern wir noch an das beim Konsul Wagner in Berlin befindliche, durch dic Lithographie von Wildt und Tempeltei bekannte Gemälde der badenden Kinder. Wir sehen hier drei Mädchen, zwei bereits bis aufs Hemdchen ausgezogen, von welchen das eine mit dem Füsschen den Wärmegrad des Wassers prüft, während das andre am Ufer sitzt und das dritte das erste vorwärts treibt. Diese zierliche Gruppe nalver Wesen zeigt sich so eigen vergnügt wie eine Trias spielender Kätzchen. In der feigen und glücklichen Auffassung und Darstellung der Kinder dürfte St. mit Franz Albano sich vergleichen lassen, so mannigfach gebildet, so durchweg munter, hüpfend und fröhlich sind seine menschlichen Kleinigkeiten. Steinbrück hat sich seit 1846 in Frankfurt am Main niedergelassen. Eins seiner neuesten Bilder schildert eine Scene aus der Geschichte Magdeburgs, nämlich den Moment aus den Plünderungstagen der Stadt, wo sich die Jungfrauen vor dem wüthenden Kriegsgesindel durch Sturz von den Wällen retten. Das Monogramm, dessen sich St. bedient, hat folgende Form:

Die drei Meister:

Stilke, Mücke und Plüddema on haben sich einen ehrenvollen Platz unter den Malern romantischer Geschichten errungen. Sie sind zugleich bedeutende Förderer der in den Rheinlanden wieder im Aufblühen begriffenen monumentalen Malerei. Ueberhaupt gehören sie zu den tüchtigsten Praktikern der Schule und man rühmt von ihren Gemälden, dass sie fast den höchsten Gipfelpunkt erreichen, bis zu welchem es saubere Ausführung bringen kann. Hinsichtlich des Ausdrucks, des geistigen Elements ihrer Bilder, neigen sich diese Künstler zwar im Allgemeinen der neuen Richtung zu, allein die position ist öfter übertrieben oder unbestimmt romantisch, und die Charaktere sind bei dem Einen und Andern nicht immer bedeutend genug, öfter mehr gefällig und anmuthig als vielsagend. Stilke gehört beiden Hauptschulen, der Düsseldorfer und Münchner an, trat schon noter Cornelius in die Düsseldorfer Akademie, wanderle mit diesem nach München (wo er in den Arkaden des Hofgartens das Fresko ,,Ludwig des Baiern Krönung in Rom“ schuf und auch in der Glyptothek an den Fresken theilnahm) und kam später, nach einem Besuche Italiens, nach Düsseldorf zurück, um sich dem Schadowschen Stamm anzuschliessen. Am meisten hat die Periode der Kreuzzüge seine rege Fantasie beschäftigt, und seine Schilderungen jener hochromantischen Zeit gründen sich auf sorgfältige geschichtliche Studien. Zu bedauern ist nur, dass er dem Kolorit den ersten Rang eingeräumt und der gedankenreichen Composition den zweilen überlässt. In seinen Bildern pulsirt ein frisches historisches Leben, und stels haben seine geschilderten Scenen etwas imposantes, aber die putzhalle Färbung, die glitzernden Helme und Harnische, die wallenden Federbüsche stolzer Ritterschaft etc. Zeigen seine Vorliebe für das Augenfällige und Pomphalte und seine Neigung zum Geleckten und Manierirten. Wohl das bedeutendste und schönste Werk Stilke's sind seine ,,Pilger in der Wüste.“ Gebückt und mit blossem Hauple sitzt ein Pilgergreis mit verzweifelnder Miene auf dem Boden ; an seine Seite schmiegt sich seine Tochter und starrt mit apatischem Ausdrucke vor sich hin, indem sie über dem Knie des Vaters die Hände gefaltet hat. Auf der andern Seite krümmt sich ein kleiner Mulatte im Todesschmerze, während ein hinter dem Alten aufrechtstehender Ritter seine Blicke weit in die Ferne sendet und dort Rettung zu gewahren scheint. Diese letztere Situation ist unzweifelbar sehr fehlerhaft, da der Zuschauer nichts von diesem erlösenden Zeichen gewahrt, und in jedem historischen Bilde ein Abgeschlossenes dargestellt werden soll. Auf diese Art wird der Zuschauer so arg gelauscht, wie der Ritter, dessen Blicke vermuthlich andeuten sollen, dass er eine Fata Morgana sieht. Als Seitenstück zu dem Mulatten liegen im Hintergrunde zwei todte Rosse. Worauf es in diesem Bilde sehr ankam, um die Handlung zu erklären: nämlich die Darstellung der Naturphänomene, das ist den Künstler möglichst gelungen. Die Sandhügel der Wüste, in denen der Samum mit seinem tödtlichen Hauche wühlt, die glühende Atmosphäre u. s. w. sind mit herrlicher Technik dargestellt. Nächst diesem 1834 auf der Berliner Ausstellung erschienenen Gemälde ist das höchst poetische Situationsbildchen: ,,die Kreuzfahrer auf der Morgenwacht“ hervorhebenswerth. Auf einsamem Poslen, einem Hügeldamme, von welchem man Jerusalem im Hintergrunde erblickt, sind drei Krieger gruppirt; zwei liegen noch im Schlaf auf ihren Mänteln, der dritte aber, ein glänzend geharnischter Ritter, schaut ins heilige Land hinaus, sein beobachtender Blick, ob von irgendher eine Gefahr drohe, trifft auf einen Schwarm Zugvögel, der in der Ferne aufsteigt und dem er einen Sehnsuchtsgruss nach dem Heimathlande zuzurufen scheint. Die kernbasten Charaktere, die zierliche Anordnung, die durchweg ästhetischen Formen, der landschaftlich-malerische Mittel- und Hintergrund, dies Alles macht das Bildchen äusserst anziehend. Auch die in grossem Maasstabe ausgeführte Darstellung des .,Abzuges der letzten Kreuzfahrer“, die sehr edel motivirte Composition der „gefangenen Christinnen“ und mehre Scenen aus der Geschichte der ,,Jungfrau von Orleans sind Meisterwerke Stilke's. Unter den Bildern aus dem Leben der Jeanne d'Arc ragt als Hauptbild die ,,Schlacht der Franzosen gegen die Engländer hervor. Auf schnaubendem Schimmel braust die Jungfrau – eine wahrhaftige Windsbraut an der Spitze ihrer Franzosen daher, die Fahne hoch emporhaltend, mitten unter den Feind dringend und alles vor sich her zermalmend. Meisterhaft ist das Schlachtgetümmel geschildert. Johanna, die keine Waffe in der Hand hat (ihr Schwert steckt in der Scheide) ist rein als höhere, die Franzosen nur zum Sieg führende Leiterin aufgefasst, welche das eigentliche Schlachten ihren Werkzeugen überlässt. Der hohe Schwung dieser Darstellung, die lüchtige Anordnung und Zeichnung und das lebenvolle Kraftkolorit offenbaren eine Meisterschaft im ganzen Sinne des Worts. Sulke's neueste Leistungen sind seine Fresken auf dem Schlosse Stolzenfels, wo er einen ganzen Cyklus von Darstellungen aus der deutschen Geschichte unternommen hat.

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W. Volkhart hat ebenfalls Meisterschaft in scenischen Darstellungen entwickelt. Vielen Beifall erwarb sein Bild der ,,Ermordung des Sängers Rizzio zu den Füssen der Maria Stuart“, obgleich dasselbe nicht frei ist von Theatereffekt und Kostümprälension. Sein späteres Bild: der ,,Todesgang der Maria Stuarts (wonach ein kleiner Stich in Goltfr. Kinkels Jahrbuch vom Rhein 1847 sich befindet) hat einen tieferen Fond des Seelenlebeps als jenes. Die Situation ist ergreifend, ohne grässlich zu sein, und erweckt zugleich Betrachtungen, die dem Werk einen höhern Standpuokt geben. Dennoch hat die Composition einige Härten ; auch ist die Farbe schwer. Bei solcher Richtung, wie sie Volkhart eingeschlagen hat, ist es ein HaupterforderDiss, dass das Bild ein frappanter lebensfrischer Abdruck der Zeit sei, in welcher die Handlung vorgeht, wodurch ihm jede Erinnerung an eine Bübnendarstellung benommen werden muss.

Als eine bedeutende kraft für das Geschichtsfach hat sich ferner Benzon gezeigt im heiligen Kanut, der in der Kirche durch Meuterei seinen Tod findet. Es ist dies ein Bild voll Lebens und Bewegung, und wenn auch wilden Feuers, doch nicht roh in der Haltung.

Martersteig aus Weimar, der den Grund zu seiner Bildung in Düsseldorf gelegi, seine Weiterbildung aber unter Delaroche in Paris gesucht hat, ist als ein grüner Zweig zu betrachten, mit dem sich die rheinische Schule sehr würdig den Franzosen empfiehlt. Die Wahl seiner geschichtlichen Stoffe bleibt deutsch ; eins seiner jüngsten Gemälde, das Bildchen der Uebergabe der Augsburger Confession", ist in Gesammtausfassung und feiner Charakteristik, in Haltung und Durchbildung so ausgezeichnet, dass es, trotz des kleinen Formates, den vollendetsten geschichtlichen Bildern, die in neuester Zeit entstanden, zugezählt werden muss.

Wir beschliessen diese Künstlerreihe mit einem jungen Meister, der aus dem Nachwuchs der Schule sich wie ein Heros erhoben und neuerdings selbst in Rom durch seine Malerei entzückt bat:

Julius Schrader. Dieser früher gern orientalisches Genre bearbeitende Künstler (wir erinnern an seine Sultanin im Kiosk, an seine im Haarem musicirenden Odalisken und an die Griechen und Aegypter am Meeresstrande bei Alexandrien) gewann die höhere Aufmerksamkeit der Kuostfreunde durch seinen 1843 auf der Düsseldorfer Ausstellung erschiebenen ,,Vergislungsversuch am Kaiser Friedrich II.“ Dies Werk stand nebst dem schon erwäbnlen gleichzeitig ausgestellten und gleichen Stoff behandelnden Bilde von ' kiederich und der Semiramis von Köbler auf jener Ausstellung obenan und siegte durch seine schlagend dramalische Wirkung über das ebenfalls sehr verdienstliche, aber mebr episch gehallene kiederichsche Werk. Jo Folge der grossen Anerkennung dieses lüchtigen Schrittes in die historische Scenenmalerei unternahm Schrader die Schilderung einer drastischen Scene aus der italischen Geschichte: „Cenci vor Papst Gregor dem Siebenten“, womit er sich ein dreijähriges Stipendium zur Weiterbildong in Italien erwarb. Zu Rom entwarf er das dritte grosse historische Bild, und er eplnahm diesmal seinen Gegenstand einer schönen Episode der englischen Geschichte. Es ist die Uebergabe von Calais (1346) in dem denkwürdigen Momente, wo Eduard III. das Todesurtel an sechs der vornehmsten Bürger, die sich zu freiwilligen Opfern für alle dargeboten, vollstrecken lassen will, aber von seiner Gallin und seinem Sohne zur Milde und Gnade bewegt wird. Der dramatische Gegenstand, die lebendige Composition, die bedeulende Charakteristik und die an die praktisch kecke Weise der besten französischen Meister erionernde Behandlung mussten dem ausgeführten Gemälde boben Beifall selbst in der ewigen Stadt erwerben, wo doch das Grosse und Herrliche der Kunst etwas Tagtägliches ist. Seltenerweise sind wir hier in dem Falle, iiber das Werk eines Düsseldorfers den doppelt interessanten Bescheid aus der Feder eines italiänischen Künstlers, Camillo Pucci, mittheilen zu können. Im Febr. 1847 erschien in dem litterarisch-artistischen Blatte ,,Fansulla“ ein von Pucci an den Marchese Selvatico gerichteter Brief, worin es unter anderm heisst: Für jetzt einige Auskunft über ein Werk germanischer Kunst, das in diesen Tagen hier mit Recht berühmt geworden. Es ist dies ein grosses Geschichtsbild Schraders aus Preussen, III.

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glänzenden Sonnenlichte beleuchtet, wodurch das Bild in zwei grosse, einfache Lichtund Schaltenmassen getheilt wird. Die Anordnung und Gruppirung ist meisterhaft. Alles ist aus kräfliger frischer Beobachtung der Wirklichkeit hervorgegangen, voll Leben und Ausdruck und doch zur Anmuth und Schönheit (aber nicht weiter als es dem Gegenstand zukam) gereinigt. Das Ganze ein wahres Prachtsück dieser Schule. - In allen den genannten Bildern hat sich Becker als gemütbreicher lyrischer Volksdichter bewährt; es sind ächt deutsche rührende Idyllen, voll Sinnigkeit und Zartheit, Derbheit und Wärme, und im Compositionellen und Technischen unbedingte Meisterwerke. Ueberall ist zugleich nationelles Figurengepräge, wodurch uns diese Schilderungen wunderbar anheimeln. Im Schnitterbilde z. B. führt er uns die Westerwälder Landleute in ihrer malerischen Tracht und eigenen Geberdung vor, wodurch dieses Gemälde so äusserst naturwahre Wirkung macht. In dem Bilde, das wir hier im Holzschnitt wiedergeben, sieht man einen in der Abendkühle von der Arbeit heimkehrenden Bauernburschen dem zum Brunnen gehenden Mädchen nachwandeln. Es ist der Gegenstand seiner Liebe, welchem er beklommenen Herzens folgt. Jetzt, beim leisen Säuseln der Blätter, wirbt er mit schüchternem Ausdruck um ihre Liebe, und wie erschrocken über das kaum herausgebrachte Wort seines Liebesantrags sucht er ängstlich in ibrem Blicke sein Schicksal zu lesen. Glücklicberweise sagt dieser Blick, dieser innige, mit dem sie sich zurückwendet, ihm genug.

Während Becker in seinen Schilderungen idyllischen Volkslebens die Bewegung, die ernsten Scenen, das Dramatische und Tragische vorzieht, stellt der gleichzeitig mit diesen seinem Freunde in Düsseldorf gebildete, ebenfalls in Frankfurt domicilirende

Friedrich Jakob Dielmann das Landleben von seiner heitern genusslichen Seite dar und schildert die ruhigen freundlichen Zustände des Volks. Dielmann ist von Haus aus Landschafter und hat ein so bedeutendes Talent für richtige Anwendung der Staffage, dass seine Bilder auf höchst angenehme Weise den Ueb gang von der Landschaft zum Genre vermitteln. Sie offenbaren den Reiz des ländlichen Lebens in der Verschmelzung mit der Natur und dürften in Betracht der Verwachsenheit des Volks- und Naturlebens wohl ganz zum Genre zu rechnen sein. Der Meister führt ein Kunstleben, das man ein beschauliches Naturschlendern nennen kann. Absichtlos zieht er durch die Dörfer, spricht und scherzt mit dem Landvolke, und ohne bestimmten Zweck, ohne eine Idee, zu welcher er nur die Gestalt suchte, überlässt er sich mit sinnigem warmen Gemüthe den Eindrücken der Natur und ibrer Menschen, bereit aufzuthun, wenn es ans Herz klopft, und aufzunehmen, was ihm geboten wird. So findet er Dinge, die bundert Andern entgehen, reizend, werth der Darstellung und hat das Geheimniss, sie so darzustellen, dass sie jedem reizend erscheinen müssen. Aus einem solchen Leben mag sich's vielleicht erklären, warum er so wenig Grosses, viel Zeit und Mühe erheischendes, geschaffen hat. Er kann sich nicht daran gewöhnen, eine Scene, deren innere Composition das Werk eines Augenblickes war, so lange vor siell zu seben ; er verlangt immer nach Neuem und liebt daher am meisten kleinere Bilder, oder Aquarellzeichpungen, in denen er Meister ist. Aus diesem Grunde wird es auch schwer, besondere Bilder hervorzuheben. Der Rhein und das schöne Oberhessen mit seinen kräftigen Bewohnern, besonders im Schwalmthale, ist seine Kunstheimath, der auch Becker seine meisten Figuren und Gegenden entlehnt hat. Die malerische Tracht jener Gegenden, die grossen, stolzen Gestalten, die meist hellblonden Haare mit den frischen Gesichtern, das Lebensfreudige im Charakter sind vortreffliche Gaben für den Gepremaler. Bald malt er ,,eine Prozessionin einem stillen, friedlichen Dorse, wo zwischen allen Häusern und grauem Gemäuer der Flieder und die Rose blüht und man über dunkle Giebel und frischbelaubte Obstbäume auf ferne grüne Berge und graue Schlossruinen schaut, während an ihrem Fusse der Rhein mit bewimpelten Kähnen sonntäglich dabinfliesst. Bald bringt er den Dorfplatz“, den die hohe, alte Linde überwölbt, in deren Schatten die Greise und Weiber des Dorfes plaudernd sitzen. Dann sind wir beim „Kirchweihfeste, das seinen Anfang des Morgens nach der Hochmesse auf dem Platze vor der Kirche nimmt. Vogelschützen sind schon in ihren grünen Kleidern da, der fabelhaft kostümirte Tambourmajor fehlt nicht und rings umber stehen die festlich gekleideten Bauern und Bäurinnen des Dorfes mit ihren Gästen. Dann befinden wir uns an stillen Wiesenplätzen, ein Schäfer hütet seine Heerde, Bauern stehen schwatzend oder wandeln mit den Dirnen vorüber. Bald ist es auch nur eine einzelne Figur, die mit der Landschaft das Bild macht. Besonders bekannt ist das auch lithographirte Bild: das Bauermädchen unter der Thüre." Behaglich steht die junge, frische Dirne unter der Thüre des Hauses, das nur bis über die Thüre ins Bild aufgenommen ist; die Beine nachlässig übergeschlagen, mit dem Strickstrumpf in der Hand, schaut sie vergaüglich auf die Katze, die in lustigen Sprüngen mit dem Garnknäuel spielt. Eine ibm ganz eigne Virtuosität hat er in Darstellung von Kinderscenen ; es kann nichts Naiveres, Lieblicheres, auch Drolligeres geben, als seine Bauernkinder. Reizend ist die Kindergruppe, welche, in gemüthlichem Kreise spielend, vor einem Heiligenhäuschen sitzt, während ein älteres Mädchen den kleinsten Kinaben auf dem Arm emporgehoben hat und dieser sein Brod mit dem Christuskinde theilen will. Naiv sind die Kinder, die, in der Kirche knieend, plaudern stalt zu beten, ein gleicher Kontrast, wie die weite, helle Landschaft zu der kleinen düslern Kapelle. Solcher Scenen hat der Künstler eine Fülle und er bedürfte nur der Ausdauer, um Bedeutendes hervorzubringen. So hat er bei Gelegenheit des Gutenbergfestes 1841 für seine Sachsenhäuser Weingärtner die Fahne mit einer ganz vortrefflichen Charaklerscene geschmückt, die werth wäre, in ähnlicher Weise in Oel ausgeführt oder wenigstens durch eine Radirung vervielfältigt zu werden. Das bunte Treiben der Weinlese ist hier in Art einer Arabeske geschildert. Da singen und schneiden Winzer und Winzerinnen, da lärmen und schiessen und trinken die Burschen und fröhlich wird die goldne Traube in die Tonne gebracht. Eines seiner grössesten ausgeführten Bilder sind ,, die schlendernden Bauermädchen.Drei, vier lustige Dirnen wandeln auf der Chaussée vor dem Dorfe, plaudern und singen. Hier ist die wahre Gemülhlichkeit. Sie haben kein Ziel ; ihre Freude ist das Ruhen im Freien, im Festsonnenschein. Ihr Genuss ist nicht aussen, denn sie gehen ja nicht von dem Wege, den sie tagtäglich betreten; innerlich sind sie froh und vergnügt und feiern den Sonntag ohne Essen und Trinken, ohne Pulz and Geräusch, nur in Gespräch und Gesang Von Dielmann selbst lithographirt kennt man den ,,Rheinischen Bauernhof etc. Von Jentzen ward in Steinzeichnung wiedergegeben das beim Bankier Hirschfeld in Berlin befindliche Bild des mit der Katze spielenden hessischen Landmädchens. Ein humoristisch gemüthliches Bild: zwei gesundheitstrotzende hessische Dirnen bei dem invaliden, Schnurren aus seinen Feldzügen erzählenden Dorfschmied, findet man im Frankfurter Miniatursalon gestochen.

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Aanges ist sein Lootsenexamen, das auf der Berliner Ausstellung 1842 erschien. Die Anordnung dieses Bildchens ist so vortrefflich wie die Charakteristik der verschiedenartigsten Theilnahme am Vorgange. Hier hat Jordan ganz in dem tüchtigen Sinne gearbeitet wie Hasenclever auf seinem Felde. Unter seinen Helgolanderbildern, in welchen er uns mit einem Reichthum der gesundesten Wirklichkeit überschüttet, ist jedoch das Berühmteste der in hundertsachen Nachbildungen bekannte Heirath santrag (in der Samml. des Konsuls Wagner zu Berlin). Ein alter Lootse stellt mit jovialer Derbheit seiner angenehmen Tochter einen jungen Fischer vor, der um ihre Hand angehalten. Der Vater fasst ihn am Rinne und frägt die Tochter, wie ihr der Bursch gefalle? Dieser wirft sich in die Brust und scheint als ein begüterter Fischer dem armen Mädchen genüber sich auf deren Ja zu verlassen. Er producirt sich in der Zipfelmütze, mit rückwärts gebogenem Oberkörper wie ein preussischer Rekrut, bält die Beine mit den langen Stiefeln eng zusammengeschlossen, hat die Arme hinter den Rücken geschlagen und lässt die Pfeife in seinen Händen herunterbaumeln. In vollem Gegensatze zu diesem zuversichtlichen Burschen steht das höchst verlegen thuende Mädchen da, dem der derbe Vater zu sagen scheint :

Bei Golt du musst ihn nehmen!

Du wirst dich doch nicht schämen? Die beste lithographische Wiedergabe des Heirathsantrages hat man von J. Sprick (ein Bl. in grossem Querfolio). Das „Sturmläuten der Lootsenglocke auf Helgoland“ (Gemälde beim Senator Jenisch in Hamburg) kennt man durch die gute Lithographie von J. Fay, nnd das beim Konsul Wagner in Berlin befindliche Bild der ,,heimkehrenden Loolsen“ durch die Lith. von C. Fischer. Das ,,Lootsenexamen ist von Jordan selbst in Kupfer gebracht worden. Sein Künstlerzeichen ist :

Aus der gemeinen Wirklichkeit und der prosaischen Gegenwart entnommene scenische Stoffe behandelt mit Glück auch

Emil Ebers von Breslau. Derselbe schildert vorzüglich jene Klasse der Küstenbewohner, deren Gewerbe der Sebleichhandel ist. Bekannt sind seine ,,Schmuggler, die im Begriffe sind an einer einsamen Stelle zu landen“ (1830 ausgestellt und in den Besitz des Konsuls Wagner gekommen), die ,,Schleichhändler von Grenzjägern überfallen" (1832), die „Schleichhändler in der Schenke" (1833) und die ,,Schmugglerfamilie in ihrem häuslichen Leben“ (1842 vollendet). Das Ensemble des letztern Bildes ist sehr malerisch, das Individuelle der Menschenklasse beslimmt ausgeprägt; wir sehen kerngesunde Naturen von schöner Körperbildung, zwar moralisch etwas harte Schaalen, deren innerer Kern aber doch nicht verdorben ist; es sind Leute, die in ihrer stets von Gefahr bedrohten Beschädigung abgehärtet werden mussten, die aber nur in der Nothwehr gegen die gar nicht moralisch zu rechtfertigenden Scherer der Menschheit, gegen die Zöllner der Zwingherren; bis zur Verletzung eines Goltesgebotes getrieben werden. Die Hauptgruppe bildet der Führer der Pascher mit seinem Liebchen. Er, ein junger kraftmann von militärischer Haltung und Kleidung, sitzt auf einem Felsenstück; sie, ein reizendes Kind, schmiegt sich kosend an ihn und schaut zärtlich und voll Freude über die bestandene Gefahr ihm in die Augen. Er erwiedert, so gut es dem in herbem Handwerk herb gewordnen Charakter möglich ist, ihre Liebe und fasst sie vertraulich beim Kind. Von der Seite kommt ibre oder seine Mutter herbei, um Wein und Speise dem Ermüdeten darzureichen. Flinten, Pistolen und andre Walfen liegen umber. Rechts im Vorgrunde magaziniren die Knechte geschmuggelte Waaren, Ballote 4. dergl., während ein Mädchen mit dem Haushunde spielt. Der Platz ist ein heimlicher, grottenartiger. Im Mittelgrunde stehen zwei Paschknechte auf Wache. Im Hintergrunde kündigt sich das Reich der Freiheit durch Meer, Schiffe und Luft an. Unter den verschiednen andern Werken von Ebers heben sich hervor: das in die Gesebichlmalerei hinüberspielende Gemälde beim Konsul Wagner, „St. Goar, der den Fischern am Rheine das Evangelium predigt"; das ,,Husarenbivouac“ (eine interessante Gruppe mit ächt komischen Ingredienzien) u. a. m.

Henry Ritter aus Canada, ein jüngerer Künstler, hat sich rasch zum Meister emporgearbeitet und eine würdige Stellung unter den Volksmalern dieser Schule errungen. Vortrefflich ist seine Verlobung in der Normandie, welche den Jordanschen Heirathsantrag auf Helgoland, wenn freilich nicht an Humor, doch an Genülhlichkeit übertrifft und jedenfalls einer ganz bestimmten Volkseigenthümlichkeit entspricht. Man sieht eine Fischerfamilie vor ihrer Wohnung in dem für sie wichtigen Momente versammelt, wo die Tochter vom Hause einem jungen Fischer ihre Hand geben soll und will; dieser soll und will sie auch nehmen, kann sich ihr aber vor lauter Respekt und Blödigkeit kaum nähern, denn er muss förmlich vorwärts gezogen und ihr zugeführt werden. Man bedauert diesen künftigen Ehemann, denn der sichere Lohn für seine Schüchternheil, der Pantoffel barrt seiner. Dies die Hauptgruppe, in welcher sieben PersoDen handelnd auftreten. Zur Seite vergnügen sich etliche Jungen, welche einen Hund mit grüner Farbe anpinseln. Im Mittelgrunde am Ufer ein Schiff und ein Kahn zur Reparatur. Im Hintergrunde die See. Die Lust hell. Landschaft, Häuser, Menschen und Trachten sind treu im Charakter der Normandie gehalten, und Naivetät ist der Grundton des übrigens auch angenehm gefärbten Bildes. Der ,,Fischer, welcher verdriesslich nach Hause kommt, weil er schlechten Fang gemacht“, ist ein früheres Bildchen Ritters, von sehr charakteristischem Ausdruck und kräftiger Malerei; es befindet sich im Besitze des Prinzen Friedrich von Preussen. Eine der schönsten und gediegensten Leistungen Ritters ist das neuere Gemälde: der ertrunkene Fischersohn. Der Künstler bietet unserm Blick das Innere einer Fischerwohnung, wo wir den ertrunkenen etwa vierzehnjährigen Fischerknaben von den Genossen und Gehilfen des Vaters heimgebracht sehen. Vergebliche Wiederbelebungsversuche sind gemacht worden; die Angehörigen erscheinen nun in stummen Schmerz versunken, während die Uebrigen scheu und leise miteinander flüstern und nur ein Alter zu dem Vater beruhigende Worte spricht. Letzterer, ein kräftiger Mann, kämpft im Innern mit Gewalt gegen den Schmerz an. Das Bild ist von lebendiger Charakteristik; die naive Sfäre der Gesellschaft, in welcher der Vorfall sich ereignet, ist in allen Beziehungen mit Bestimmtheit wiedergegeben, ebenso entschieden aber auch jener Adel ausgedrückt, welcher sich einer unverdorbenen Natur durch erschütternden Seelenschmerz aufprägt. Zugleich hal das Bild eine malerische Kraft und Stimmung, welche das Zeugoiss eines ächt künstlerischen Versenkens in den Stoff, einer ächt künstlerischen Durchbildung desselben ist. (Durch Gustav Feck'ert in Berlin ist das Bild lithographisch vervielfälligt worden. Mit glücklichem Erfolg ist der Steinzeichner bemühl gewesen, sowohl das geistige Element des Ausdrucks als jene energisch malerische Behandlungsweise wiederzugeben; namentlich in letzterer Beziehung zeichnet sich das Blatt durch nicht gewöhnliche Verdienste aus.) – Von Ritters nordamerikanischen Jugenderinnerungen zeugt die vortreffliche Zeichnung und eigenhändige Radirung, womit er im 2. B. der „,deutschen Dichtungen mit Randzeichnungen deutscher Künstlerós das bekannte Gedicht Adelberts von Chainisso, worin der alle ,,Bunteschlange“ genannte Indianerhäuptling redend auftritt, höchst volksthümlich-charakteristisch illustrirt hat. (Ausser Henry Riller weist die Schule noch einen Amerikaner als Zögling auf, nämlich den zum Geschichtlichen neigenden Leutze, von dem wir keine weitern Nachrichten haben, als dass er 1812 eine Scene aus dem Leben des Amerika-Entdeckers in Arbeit hatte und dass er sich neuerdings bei den ,,Düsseldorfer Monatblättern“ betheiligte.) Das Monogramı, dessen sich Ritler zuweilen bedient, hat folgende Gestalt:

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Karl Hübner, den man hoffentlich nicht verwechseln wird mit seinem Namensvetter, dem christlichen Romantiker Julius Hübner. An ihm hat die Schule einen entschiedenen Politiker, einen Tagesgeschichtsnialer oder sogenannten Tendenzmaler. Sollen die journalistischen, die dichterischen und die wissenschaftlichen Federn die aussebliesslichen Verkünder der Strebungen und Fühlungen der Zeit sein? Oder ist es genug, dass der Volksmund in den Ständekammern eine concessionirle Sprache führt über das was faul ist in der Zeit und was noth thut der Zeit? Auf solche Fragen gibt uns Karl Hübner die gemalte Antwort. In seinem ersten bedeutenden Werke, den schlesischen Leinwebern, ist er als ein beredler Schilderer des Proletarier - Elends und des empörenden Drucks der Geldherrschaft aufgetrelen. Dieses Weberbild zeugt von starkem Talent; es lässt uns in das Lokal eines Kaufmanns blicken, worin die Weber harren, um links am Ladentisch ihre Leinwand geprüft und angenommen oder verworfen zu seben. Die linke Seile gehört also den Kaufleuten. Da ist im Vordergrunde der wohlgenährte, herzlos praktische Kaufherr, fett und elegant, und sichtlich gemein. Er hält ein Stück Leinwand zwischen den beringten Fingern, und scheint es zum Entsetzen der nächsten Webergruppe, deren Lebenshoffnung in Verwerthung dieser Leinwand bestehen mag, schonungslos zu verwerfen. Hinter ihm lehnt ein junger Kausbursche, vielleicht der glückliche Sohn des Kausherrn, auf einem Pack Leinwand, und achllos lässt er seine Hand mit der brennenden Cigarre auf der Waare ruhen. Anzug und Wesen deuten auf Reichthum und noch unverdorbenen Willen. Das harte Urtheil des Vaters mag ihm leid sein um der armen Leute willen. Etwas weiter rechts hinter dem Kausherrn prüft der ausgetrocknete alte Commis andere Leinwand mit der Lupe. Ihn kümmert nichts als die Gleichbeit und Dichtigkeit des Fadens. In der liefsten Ecke links hinter diesen Kaufleuten ist in ziemlich unbestimmten Umrissen das Comploir, von Lampenlicht spärlich beleuchtet, während vorn in der Halle überall Tageslicht herrscht. Immitten der Halle und zunächst am verwerfenden Kaufherrn ist diejenige Webergruppe, welche unmillelbar von jenem Verwerfungsurtheil betroffen wird, und diese Gruppe ist das Juwel des Bildes: die Webersfrau, eine stattliche, von Leiden durcharbeitete Gestalt sinkt in Schmerz zusammen, und das lichtblaue Auge sucht in der Höhe nach Golles Gerechtigkeit. Ihr kleiner Bube schmiegt sich an sie, ihr Mann spricht hinter ihr entsetzt und zornig nach dem Kaufherrn hin. Vielleicht ist die Kleidung gerade dieser Leute etwas zu gut für die Lage, aber Mann und Weib sind tüchtig gemalt und von vortrefflich charakteristischem Ausdruck, das Weib sogar tragisch edel. Hinter dieser Gruppe sind andere Webersleute, die Theil nehmen oder selbst betroffen sind, gut vertheilt, unter ihnen besonders ein altes, ärmlich gekleideles Weib. Rechts im Vordergrunde starrt ein aller Mann, ein Weib und ein Kind auf einer Lade sitzend erschreckt nach der Hauptgruppe hin. Der Ausdruck ihrer geistigen Beschränktheit ist sebr gut getroffen, und es ist markiges Talent im Hinwurf dieser Parlie. Hinter ihnen gehen einige Weber nach dem Ausgang, und ihre Mienen, ihre Pantomimen zeigen, dass der Zorn schon Worte und Form findet. Demnach ist an dem Bilde gar viel zu loben. Die Harmonie des Ganzen leidet vielleicht durch die grell modern gekleideten Kaufleute linker Hand. Die Tracht ist hier wie mit dem Messer abgeschnitten vom übrigen Bilde, und was in der Idee ein erwünschter Kontrast sein mag, ist im Bilde eine Slörniss. Hieran knüpft sich denn auch gleich die Frage: ist das Bild, dessen Motiv der Tagesgeschichte entnommen ist, wohl auch ohne Kenntniss der Tagesgeschichte verständlich? Ferner die Frage: ist der Nahrungsjammer in diesem dramatisehen Zusammenhang ein glücklicher Vorwurf für ein Bild ? — Ein zweites bedeutendes Tendenzstück Karl Hübners, der Wilddieb, erscheint ebenfalls technisch vortrefflich ; die Idee kann nicht plastischer ausgedrückt sein. Gewiss ist der Vorwurf gegen die Tendenzmalerei, wie er von manchen Seiten ausgesprochen wird, ein niehtiger. Ein Künstler ohne Tendenz ist kein Künstler, wie die Poesie ohne alle Tendenz in Spielerei verfällt. Es kommt nur darauf an, dass die Tendenz den rechten Ehebund mit der Begeisterung, mit dem Schönheitsgefühl abschliesst, dass sie über der erscheinenden Wabrheit noch eine unsichtbare erkennt, daran festhäll, sie auszudrücken sucht. Das ist aber so wenig bei Hübners Wilddiebe als bei seinen antern Bildern dieses Genres der Fall. Wir sehen nichts als die trostlose nackte Wirklichkeit. Eben durch die blos journalistische Auffassung, zu welcher sich das jedenfalls starke Talent Karl Hübners hinneigt, wird der Tendenzbilder Werth und Dauer gefährdet.

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Otto Grashoff von Köln erwarb sich ausgezeichneten Beifall durch seinen „russischen Pilger“ und andre Genregemälde, die das Talent des Künstlers in schonem Lichte zeigen.

H. Rustige aus Westfalen, Lehrer der Malerei im Städelschen Institut zu Frankfurt am Main, hat sich als sinniger, witziger Beobachter des gewöhnlichen Lebens offenbart, der sich gern in Auffassung der Volksthümlichkeiten bewegt. Eine ganz besondre Virtuosität entwickelt er in Behandlung der mannichfaltigen Gegenstände des Hauses, die er mit grösster Wahrheit und Netligkeit ausführt. Zugleich gehört er unter die fruchtbarsten Maler, die aus der Düsseldorfer Schule bervorgegangen. In seinen Bildern herrscht meist eine anmuthige Laune, daher man irgendwo den Reim liest : H. Rustige macht Jauter lustige. Sehr gelungen ist seine ,,Einquartierungs-Scene in Tyrol“ (das Gemälde bei Ph. Hellborn in Berlin, lithograpbirt von K. Fischer). In diesem Bilde sind drei Gruppen zu unterscheiden; die millere stellt Soldaten vor, die mit einem Mädchen scherzen und hofren; in der zweiten sieht man einen Verwundeten von Kameraden hereinführen, Gestalten voll Ausdruckes und Lebens; an der Seite rechts sitzt die Familie am Tische, unter ihr ein zartes, idealisch schönes Mädchen. Die Beiwerke sind mit äusserster Wahrheit und Genauigkeit ausgeführt und das Ganze übt stillen Zauber durch die Natürlichkeit der Conceplion. Ferner sind hervorhebenswerth : „die junge Wiltwe“ (durch den Stich von Konstantin Müller bekannt), „die Braut“ (ein liebliches Bild bei Hrn. Tillmanns in Frankfurt, lith. von A. Fay), „die ungarische Schule" (lith. von Hahn), „das ungarische Schäferfest“, „das Österreichische Lagers (in der Samml. des russischen Thronfolgers), „der Abend in Tyrol", die „rheinische Kirmes“ (Bild bei Herrn Bredt in Barmen), mebre Scenen aus dem Hessischen Landleben, die „gestörte Mitlagsmahlzeit“ etc.

Joh. Wilms von und zu Düsseldorf wetteifert mit Rustige in naturtreuer Abbildung der Utensilien und wirkt damit z. B. im „Katzenjammer nach dem Doctorschmause" wahrhaft drastisch auf den Beschauer. Der Held der Geschichte liegt mit dem Kopfe schlafend auf dem Tische, sein Diplom ist mit Wein hegossen, Champagnergläser, Römer, Flaschen liegen zerbrochen und umgestürzt auf Tisch und Boden, Heringsgräten, ein niedergebranntes Licht, ein Rapier bunt dazwischen; eine Uhr mit zerbrochdem Glase zeigt die fünfte Stunde. Solch saubere Wirthschaft ist bis zum Herzerquicken sauber gemalt.

Hermann Kretzschmer in Berlin, der sich früher in Düsseldorf durch Volksstücke wie der „alte Krieger mit seinem Enkel“ (bei Fran von der Schulenburg in Düsseldorf), durch Kinder- und Märchenstücke (Rothkäppchen bei Dr. Pauls in Koblenz, Aschenbrödel etc.) und durch romantische Scenerien hervorthat, hat sich in Folge seiner orientalischen Reise auf Bearbeitung morgenländischer Volksscenen geworfen und hier eine grosse Gewandtheil in der Gruppirung grosser Massen wie kleiDerer Karawanen offenbart. Man nennt von ihm besonders die lebendige Schilderung des hohen Festes zu Mekka. Seine touristischen Anschauungen in Griechenland und der Türkei haben ihn eben so tüchtig in der Volks- und Kostümmalerei wie der architekturlandschaftlichen Darstellung gemacht; in letzterer Beziehung sind Beweisstücke seine kleine vortreffliche Ansicht von Kairo, sein schönes Bild mit dem Denkmal des Lysikrates u. a. m.

Fr. Ed. Meyerheim in Berlin, der höchst vollendete Meister in der Darstellung einfacher gemüthlicher Vorgänge des vaterländischen Volkslebens, scheint zu kurze Zeit in Düsseldorf gewesen zu sein, als dass wir ihn dieser Schule unbedingt beizählen dürften. Die Besprechung dieses Bedeutsamslen unter den norddeulschen Volksmalern bleibt dem spätern Künstlerartikel vorbehalten.

Eduard Geselschap von Wesel, ein ausgezeichneter Zögling der Schule, begann mit naiven Darstellungen, Kindergruppen etc., und entwickelte viel Kunst in Lichteffekten. Schwankend zwischen eigentlicher Volksmalerei und dem poetischen Genre malte er unter sich so verschiedene Stücke wie ,,die wegen Vorbeiziehens eines Reitertrupps vor der Hütte versammelte Bauernfamilie“, „Faust im Studirzimmer und „zwei Mädchen, die sich zum Maskenball ankleiden“ (Bilder von edler und gewandter Auffassung, von leuchtender und lasurartiger Farbe mil pastosen Lichtern). Als ein brillantes Meisterstück sagengeschichtlich - romantischen Genre's erkannte man auf den Ausstellungen 1845 seine Darstellung der ,,Todesscene Romeo's und Juliens im Grabgewölbe.“ Die Intention des Gedichtes, welchem Geselschap seinen Stoff eallieh, ist in der sehr schönen Composition kraftvoll und gründlich aufgefasst. Ganz vorn am Monumente liegt der todte Paris mit dem noch gezogenen Schwerte ; dahinter ruht Julia, eine sehr liebliche Gestalt, den Rosenschimmer des wiederkehrenden Lebens auf den Wangen, in Romeo's schon todesstarren Arnien, beleuchtet vom Lichte des Einsiedlers, der in Hintergrund eingetreten ist. Man glaubt hier, besonders bei der Figur des Paris, einen den Düsseldorfern sonst fernliegenden Einfluss, nämlich den der spätern italiänischen Koloristen, zu erkennen; wenigstens hat die Farbe hier eine eigenthümliche Kraft.

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seine „Trauernden Lobgerber, denen die Felle weggeschwommen" (eine Parodie auf das trauernde Königspaar seines Freundes Lessing) und an den nur die Kehrseite zu den mannhaften Rittern Lessings und den romantischen Liebespaaren vieler Düsseldorfer abgebenden Don Quixole. Sodann bewegte sich seine künstlerische Kraft in einem ähnlichen Gebiete wie das ihn selber umgebende Volks- und Wirthshausleben, daher so manche seiner Gebilde nur als eine poetisch verklärte Steigerung dieses letztern erscheinen ; namentlich aber zeigte er sich in den seltsamen grotesken Figuren seiner arabeskenartigen Compositionen wahrhaft als den dichtenden Künstler, aus welchem der süsseste Wein und der perlendste Humor spricht. In diesen geistvollen Arabesken hat Schrödters besondere Neigung zur Phanzen- und Blumenwelt ihren künstlerischen Ausdruck gefunden. Figuren von ungeheurer Heiterkeit oder ideale genienartige Gestalten neigen sich hier auf anmuthig gebogenen und durchsehlungenen Blumenstengeln, schaukeln sich in den Kelchen fantastischer Blumen oder klettern und schweben zwischen Blüten und Blättern empor. Auch in diesen arabeskischen Darstellungen macht sich oft eine allgemeinere Auffassung des Stoffes, ein symbolisirendes Spiel des Gedankens geltend. Der künstlerische Gedanke aber hat es in diesen luftig leichten Compositionen nicht mit Verhältnissen der Weltgeschichte, mit grossen Gegensätzen der Religion und Politik zu thun; vielmehr ist hier die Verherrlichung eines poetischen Lebens, das sich als ein durch Wein oder Liebe und Humor begeisterler Zustand herausstellt, seine Aufgabe, über deren Grenzen er nur mit geringerem Glück hinausschweist. Vornebmlich ist es die Poesie und Komik des Weinlebens mit dem Gegensatze einer nüchternen manichäerhaften Philislerei, die dem Künstler einen unerschöpflichen Gegenstand der geist- und fantasievollsten Darstellungen dieser Art bietet. Wie prächtig ist sein „kampf um den Becher“, wo um den riesenhaften Kelch herum der schnurrbärlige Krieger den schmerbauchigen Pfaffen verfolgt, welcher letztere zweideutiger Weise von den Hanswurst unterstützt und geschützt wird. Und nun gar die unnachahmliche ,,Flasche“, die als ein wahrer Codex der Geheimnisse des Weinlebens betrachtet werden kann.

In seinen Gemälden tritt Schrödter vorzugsweis als Schilderer von Literaturfiguren auf: Das alte Gesetz, dass die Poesie Multer aller übrigen Künste ist, bestätigt sich recht augenscheinlich durch das bei den Düsseldorfern überhaupt beliebte Hernehmen der malerischen Stoffe aus dem Horte der Literatur. Besonders Schrödters Genius wird gerade dadurch charakterisirt, dass er seine komischen Gestalten stets den Dichtern oder dem Volksgedichte nachschafft, und er gewinnt durch dieselben bei unserem Volke, das bis jetzt mehr in Buch und Schrift als in Thalen oder in gesehichtlicher Satire lebt, sicherlich eine stärkere Wirkung, als er mit eigentlich historischen Figuren zu erreichen vermöchte. Der Art war sein alter Lügenbaron, der in Erzählung der fabelhaften Jagdabenteuer begriffene Münchhausen (welcher Jangnasig und grossinänlig, im Sammelrock und mit verschossnem grünen Mützchen, vor einer dampfenden Bowle am Schenktische sitzt und ein höchst neugieriges Publikom von Bauern, Schandarmen und Jägern um sich versammelt hat); ferner die beiden trefflichen Charakterbilder aus Eulenspiegel, die man auf den Ausstellungen 1844 und 45 sah. - Unter den ältern Bildern Schrödters bleibt das berühmteste sein Don Quixote im Amadis lesend, das beste seiner Kunstwerke, das ein wahrbaft klassisches Lebensbild des Ritters von der traurigen Gestalt genannt werden muss. Der Ritter sitzt in einer Art Kellergeschoss, das durch ein Fenster von der Seite herab sein Licht empfängt. Im Hintergrunde ein Schrank, worauf ein emeritirter Hat mit zerknitterter schwarzer Feder; Aktenrollen und Beinschienen durcheinander; als Vorhang ein vergilbt scheinender Stammbaum. Zur Linken des lesenden Rillers ein Tisch, darauf ein Teppich, dessen altem Glanze vier junge Moder nachhilft. Auf dem Tische, wie auch unter ihm, liegen grosse Ritterbücher; auf einem derselben philosophirt ein alter stoischer Rabe, der länger und stiller hungern kann als ein Jogi. Auf demselben Tische ruht der Helm, dessen Visirmangel der Ritter durch Pappe und mit dem Bänderzeuge ersetzt hat, welches nun herabhängt und bald zum gordischen Knoten wird geschlungen werden. Auf der Tischdecke liegt ein Stück Semmel, rührend klein neben dem Haufen geistigen Vorraths, denn Bücher — Folianten in allen Lagen -- decken den Boden, während andere Works als Unterbau statt des zerbrochenen Fusses vom Lehnsessel, worin der Ritter liegt, und andre wieder zum Schemel seiner Füsse dienen. Vorn liegt an der Erde ein aufgeschlagenes Turnierbuch, uns das Bild zweier giostrirender Reiter zeigend. Durchs Fenster oben, zor Rechten des Rillers, guckt hinter dem breilen Pfeiler eine grünende Rebe herein, deren unbefangener Einblick in dieses Gemach magischer Befangenheit einen tiefFehmüthigen Reiz bielet. In dieser Umgebung nun steht der grosse alte braunlederne Lehostuhl, an ihm ragl auch schon die Turnierstange bestaubt und von grösster Länge empor – und in diesem hohen Armstuhl, den Oberleib eingekrümmt und verkürzt, das rechte Bein hoch aufgestützt auf einer Bücherlage, das linke lang ausgestreckt nach einer niedrigeren Basis, vor dem Schoosse das Foliobuch aufrecht an sich gestemmt und die rechte Hand überm Auge, um Licht und Sion zu concentriren in seinem Amadis : so sitzt der lange, in seiner Länge und Hagerkeit noch immer edelgegliederte Ritter und liest und schwärmt. Sein hartes aber adeliges Gesicht zeigt die höchste Spannung, sein schönes blaues Auge blitzt mit einem stechenden Feuer; das Gespreizte seiner Lage, das Krampshafte in seinen grossen Händen Alles vereinigt sich, um dein ersten Blicke zu sagen, welch' eine ungeheure Bewegung in dieser Ruhe des vertieften Geistes flackert und mit den Bildern, die er liest und mit allen seinen Gedanken hinstürmt und schiesst. Er weiss nichts mehr davon, dass er noch in der knappen grünsammelnen Schlitzjacke sitzt; in Gedanken hat er schon längst den Panzer drüber, und über die anliegenden schwarzen Beinkleider die Schienen. Seine Füsse stehen in ausgetretenen Pantoffeln, die aber schon wie lose Hülsen abrutschen, während bereits die Sporen angelegt sind, deren Riemen die Strumpflöcher decken. Wie wahr! Diese Sporen sind ihm angeboren, aber sein verspäteter Stern und die Sitle der Zeit wickelte Pantoffeln darum. Aber das kümmert ihn nicht: die Pantoffeln gleiten ab, im Lesen spannt er die Glieder, wie ein zu Rosse Steigender, ein Jagender, der Stösse versetzt und aushält, wie einer, der Vesten stürmt, Riesen wirst, Drachen schlägt: er studirt das nicht, er thut's, kämpft, fällt, rallt sich aus, haut wieder ein und verliert sich immer tiefer ins Gewühl und Gekrach der Waffen.

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Almosphäre durch des Rheinthals bimmelheitre Scenerie genährt. Besondre Rühmung verdient noch seine unvergleichliche Behandlung des Laubwerkes, was Niemand vollendeter und lockerer malen dürfte. Zu seinen vorzüglichsten Werken gehören: eine Sumpslandschaft mit Eichen (1836), das Winterbild von unsrer lieben Frauen in Wesel (aus dems. J.), die grosse Morgenlardschaft mit der Burg am See und mit Kriegern im Kabne (1838 vom Leipziger Kunstverein erworben), die grosse schottische Landschaft mit nebeldurchbrechender Sonne und mit der Staffage Cromwellscher Krieger (bei einem kunstfreunde zu Brüssel), die grosse Landschaft mit Zigeunern unter Eichen (angekauft vom Braunschweiger Kunstverein), die Ansicht von Stolzenfels (ein überaus herrliches Charakterbild des Rheinlands, im Besitz des Königs von Preussen), Schloss Egloffslein in Franken (eine Vedute von nicht minder charakteristischer Schönheit, beide aus dem J. 1842), die Aussicht von der Burg Elz (1834), die durch Osterwalds Steinzeichnung bekannte Vätergruft nach Uhland (1835), u. a. m.

Scheuren ist auch geistreicher Aquarellzeichner und Kupferützer. Seine mit Sicherheit behandelten, ungemein kräftigen Farbenzeichnungen sind Perlen unter den Sammelblällern mäcenatischer Vermögensleule. Nach seinen Aufnahmen lithographirten A. Borum und A. Brandmayer 20 Bi. Nabelhalansichten. Achtzehn Zeiclinungen lieferte Scheuren für das katholische Prachtgebetbuch des Pfarrers Grünmeyer, zu welchem die übrigen 64 Frau Stilke beschafft hat.

Im J. 1812 erschien von ihm ein Hest Radirungen, mit dem arabeskenartig geschmückten Titelblalle aus 26 Blättern bestehend. Diese Scheurenschen Aetzblätter haben verschiedenartige, zumeist nur sehr kleine Dimensionen, das Heft hat das Format eines kleinen Querfolio. Die dargestellten Gegenstände sind ebenfalls sehr mannichfallig. Einige sind bistorischen Inbalts: eine kleine Skizze des Todes Karls des Fünften im Kloster St. Just, ein Hamlet auf dem Kirchbofe mit Yoriks Schädel elc. Andre sind See- oder Strandbilder. Beladene Barken ziehen ruhig über den abendlichen Spiegel der Flut hin ;. Kähne mit Kriegern (wobei vielleicht an die von Freiligrath besungenen Wasser-Geusen zu denken) geben einander Signale; Fischerweiber sind am Ufer versammelt; Fischer und Knaben, auf langer Bank nebeneinander gereiht und durch ein altes Gemäuer vor der Zugluft geschützt, wärmen sich am Strale der Abendsonne. Die überwiegende Mehrzalı der Radirungen sind jedoch eigentliche Landschaften. Sumpfiges Stromuser; ein kesselförmiger See im Gebirge; ein Durchblick durch den Wald mit dampfendem Meiler; baumreiche Ebenen und andere Waldscenen; groteske Felsengestaltungen mannichfalliger Art, einsam in die Lüfte ragend oder belebt durch Gewässer und Gebüsch; mancherlei Architekturen, die aus der Waldung emporblicken, hier ein buntes Schlösschen, dort eine einsame Mühle, dort ein verlassener, verschneiler Thurm ; hier Fischerhütten am Strom, dort Bauerhäuser am engen Gebirgspfade etc. Das Eigenthümliche und Anziehende in der Behandlung dieser Blätter besteht in dem sichern Maase dessen, was zur Vergegenwärtigung der Darstellung nöthig war; überall ist mit wenigen Strichen der vollendete Effekt erreicht. Man sieht, der Künstler hatte das vollste Bewusstsein des Gegenstandes und derjenigen Stimmung, worin er ihn darstellen wollte, in sich; mit Meisterschaft grill er die charakteristischen Momente lieraus und zeichnele diese mit raschen, festen Zügen hin. So lebhaft sie empfunden waren, ebenso lebhaft wirken nun diese Züge auf die Fantasie des Beschauers und nöthigen ihn, unwillkürlich das Bild bis in alle Details zu ergänzen. Es ist in der That bewundernswerth, wie diese scheinbar so flüchtigen Skizzen durchweg eine Naturlebendigkeit, eine Harmonie und malerische Kraft haben, dass sie an Wirkung dem ausgeführten Gemälde nahstehen. Sie sind in dieser Beziehung den geschätztesten Radirungen jener alten Landschaftsmaler, eines Waterloo, Everdingen und Anderer, welche die Nadel auch mit so weiser Oekonomie za gebrauchen wussten, zur Seite zu stellen. Bei der heuzutage wieder in Aufschwung gekommenen Radirung, und namentlich bei der landschaftlichen, ist man im Allgemeinen mehr auf detaillirte, mehr dem eigentlichen Rupferstich entsprechende Durchführung ausgegangen, und man hat dabei allerdings sehr beachtenswerthe, im Einzelnen überraschende Erfolge gehabt. Immer aber bleibt es wenigstens gefahrvoll, sich mit der Radirnadel auf ein Gebiet zu wagen, wo der Grabstichel mit festerer Machtvollkommenheit herrscht, und jedenfalls ist die skizzirte, so zu sagen epigrammatische Darstellung diejenige, welche der Nadel vorzugsweis zusagl. Freuen wir uns daher, dass ein Meister wie Scheuren diese gute alte Weise wieder zu Ehren gebracht und in ihr gebührendes Recht eingesetzt hat. (Franz Kuglers Urtheil im Kunstblatt 1846, in Nr. 23.)

Wilhelm Pose, ein geborner Düsseldorfer, der ebenfalls zu den berufensten Landschaftsmeistern der Schule zählt, versteht sich auf glückliche Herausfindung romantischer Naturpartien und weiss durch freie Behandlung, durch Einflechtung eigoer Motive (mittelalterlicher Schlossruinen etc.), durch meisterhafle Anordnung und schöne Verwendung von Licht und Schatten einen dichterischen Gesammteindruck hervorzubringen. Zuerst hielt er sich strenger an unmiltelbare Abschilderung der Natur und bewegte sich in beschränkter Idylle ; letztere aber verlassend griff er gleich seinem Meister Schirmer zu grossartigeren Stoffell, worin er sehr glücklich mit seiner frühern Milde und Zartheit eine frische Heiterkeit und Freiheit verbindet. In seine Frühzeit fallen : die Mühle in einer Felsenschlucht, die Fischerhülle am See, die Linde bei Geroldstein in der Eisel etc. lo letzterem Bilde (aus dem J. 1834) erblickt man im Hintergrunde das romanlische Städtchen mit den Burgtriimmern an schroffer Höhe; in der Mitte des weiten Thales eine grosse Linde mit herrlichem Baumschlage. – Vom J. 1836 datirt das im Städelschen Museum befindliche ,,Schloss im Sees, dessen Motiv von der Burg Elz genommen ist. Iinmitten des Bildes liegt auf grünem Felsen ein altes Schloss, von welchem rechls ein Brückengang zu einer Anhöhe führt. Links verliert sich eine waldige Felsenreihe in die Ferne. Maltgrüne Bäume uad dunkle Felsen im sonnigen Vorgrunde; welkes Schilf und Gras hängt im See, in dessen Mitte Fischer ein Netz emporziehen. (Höhe des Bildes auf Leinw. 36 Zoll, Br. 47 Zoll 3 Lin.) – Ein wunderschönes Gemälde ist ferner die Salzburger Gebirgslandschaft, wo im Hintergrunde der Watzmann mit seiner originalen Formation dunkel und drohend liegt. Schön auch die ,,Gegend beim Chiemsee“ (1837), die man im Städelschen Museum findet.

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In der Historienmalerei hat van Dyck seinen grossen Meister Rubens freilich nicht erreicht. Sein Genius war für grosse Darstellung von Geschichten nicht fruchtbar, seine Fantasie nicht feurig und sein Geist nicht lebhaft genug. Aber in der Bildnissmalerei hat er ihn unstreitig übertroffen. Seine Porträts sind unbeschreiblich schön und wahr, mit einem leichten, zwar kühnen, aber doch auch bescheidenen Piosel gemalt. Seine Köpfe, vornehmlich aber seine Hände sind schön, seine Stellungen zweckmässig gewählt, und seine Gewänder ungezwungen und geschmackvoll geworfen. Sein Fleisch ist voll Blut und Leben, sein Kolorit ist wahrer als die Färbung seines Lehrers, und seine Farben sind mehr verschmolzen. Auf das Helldunkel aber und auf die Wiederscheine verstanden sich wenige Maler so meisterlich wie van Dyck.

Ueber die Art und Weise wie van Dyck beim Porträtmalen verfuhr, erzählt de Piles aus dem Munde seines Freundes Jabach Folgendes. Der Maler bestimmte den Personen, die er malen sollte, den Tag und die Stunde, und arbeitete an einem Bildnisse auf einmal nicht mehr als eine Stunde, er mochte es erst entwerfen oder bereits ausmalen. Meldete ihm nun die Glocke, dass die Stunde verflossen sei : so stand er auf, und machte der Person ein Kompliment, um ihr gleichsam zu sagen, dass es für diesen Tag genug sei, und verabredete mit ihr einen andern Tag und eine andere Stunde. Hierauf kam sein Kammerdiener, wusch seine Pinsel aus und machte ihm ein anderes Pallet zurecht, da er indessen eine andere Person, welcher er die Stunde anberaumt hatte, zu empfangen pflegte. Auf diese Weise konnte er in einem Tage mit einer ausserordenllichen Geschwindigkeit an mehren Bildnissen arbeiten. Hatte er ein Bildniss leicht entworfen, so liess er die Person die Stellung machen, die er vorher ausgedacht. Ihre Leibesgestalt aber und das Kleidungswesen, das er auf ganz edle Weise, mit feinstem Geschmack zu ordnen verstand, zeichnete er in einer Viertelstunde mit weisser und schwarzer Kreide auf blaues Papier. Diesen Entwurf gab er hierauf geschickten Leuten, die er bei sich hatte, und liess ihn nach denselben Kleidern ausmalen, welche ihm die Porträtbesteller auf Verlangen zusandten, Hatten seine Schüler an den Gewändern soviel nach der Wirklichkeit gemalt als sie vermochten, so ging er die Stoffmalerei leicht durch und brachte vermöge seiner Einsicht in kurzer Zeit das Künstliche und Wahre überall an, welches wir noch im Stofflichen seiner Porträtstücke bewundern. In Rücksicht auf naturschöne Händemalerei unterhielt er auf seine Kosten Leute beider Geschlechter in seinem Hause, die ihm mit ihren ausgezeichnet schönen Bandformen zur Hand sein mussten.

Die grosse Menge von Bildnissstücken sowie von christlichen und mythologischen Bildern, welche von diesem Meister in den Niederlanden, in England, Italien, Frankreich und Deutschland angetroffen werden, sind ein Beweis, mit welcher Leichtigkeit und Aemsigkeit er gearbeitet hat. Nehmen wir van Dyck in seiner Bedeutung als Historienmaler, so müssen wir ihn und Jordaens als die edelsten Schüler Rubens' erkennen. In Jordaens sehen wir einen die energische Seite der Rubensischen Kunst zum Ziel der Nachstrebung nehmenden Meister, bei dem der sinnliche Kraftausdruck das Ueberwiegende ward; dagegen finden wir bei van Dyck ein Streben nach Milderung und Veredelung des Kräftig-Sinnlichen und pach eigenthümlicher Geltendmachung des Geislig-Bedeutsamen. So zeigt sich van Dyck zarter als Rubens; das Uebermaas in Farbe und Form ist bei ihm sorgfältig vermieden, die Zeichnung ist reiner, der Ausdruck des Gefühls, besonders des Schmerzes, eindringlicher. Bei Rubens findet man ein Ergiessen über die Schranken, Fehler des feurigen Gemüthes und der überströmenden Kraft; bei so vieler Lebensfülle vergibt man den Rubensischen Helden, wenn sie das gewöhnliche Maas überschreiten; sie erlangen dadurch das Vorrecht des tiefsten, wärmsten, kräftigsten Ausdrucks. Nach dieser Tiefe strebt auch van Dyck, jedoch mit andern Mitteln; er will den Ernst, aber er will auch geschmackvoll sein. Seine Gestalten haben ein tiefes Pathos, aber sie streifen nicht selten ans Theatralische. Sie gewinnen an geistigen, schmerzlichem, oder lieblichem Ausdruck nicht selten dadurch, dass ihre Form weniger voll, ihre Färbung weniger geröthet, ihr ganzes Wesen weniger sinnlich gehalten ist; allein dann wird auch die Seele so überwiegend gegen den Körper, dass fast die Wahrheit des Lebens gefäbrdet ist. Wäbrend Rubens schon in Form und Färbung der Gestalten, mithin in ihr angebornes bleibendes Wesen, reichliche Fülle und Kraft legle, sparte van Dyck Kraft und Feuer für den Ausdruck des Moments und lässt uns daher diesen höchst lief und lebendig empfinden, aber leicht tiefer, als es für die Gestalten natürlich sebeiot, und so, dass sic fast das Gefühl einer Absichtlichkeit des Künstlers geben. Einige seiner vortrefflichen Bilder im Antwerpener Museum zeigen dies näher. Das eine enthält einen Moment der Grablegung und ist durch den Stich von Bolswert bekannt. Maria hat den Leichnam des Heilands in ibrem Schoose ruhend, Johannes hebt die voin Nagel durchistochene Hand empor, Engel beten weinend. Die Züge im Gesicht Christi tragen slarke Spuren körperlichen Leidens; Johannes und der eine Engel, dessen schönes Angesicht wir sehen, haben den Ausdruck liefgefühlten, aber sanfteren Schmerzes, der noch Worte findet. Maria hingegen befindet sich in äusserster Erregtheit; ihr Haupt, mit mütterlichen Zügen, ist rückwärts gebogen; ihr Muod, nicht mehr zu Worten, nur zum Schmerzenston geöffnet : ihre Arme sind leidenschaftlich ausgebreitet. Bei sinnlich kräftigen Gestalten würde diese heftige Bewegung uns nicht auffallend sein ; hier aber verselzt uns der zarte Ton des kolorits, dlas Bleiche, fast Bläuliche der Carnation in eine sanftere Welt, für welche dieser Schmerz zu laut ist. Dennoch ist hier noch Vorliebe für sinnlich kräftige Motive erkennbar. Die Formen des Christuskörpers sind stark, die jugendlichern Köpfe fleischig und lebenskräftig, die Züge Mariens selbst, wenn auch der Schmerz daran gezehrt hat, mehr kräftig als edel, die Farbenlöne in den Gewändern meist scharf weiss, in den umgebenden Felsen dunkel, in der Lust rein. Der Eindruck nähert sich einigermaasen dem maneher Bilder der italischen Naturalisten in der Schärfe der Gegensätze, obschon sie durch die Schönheit des Johannes in Gesicht und Körper, und durch manche Züge, die noch der frischern Well Rubens' angehören, bedeutend gemildert sind. Ein andres Bild in der Saminl. der Antwerpener Akademie, das denselben Gegenstand vorführt und wo nur noch Magdalena hinzugekommen ist, bestätigt die eben gemachten Bemerkungen, denn hier ist der Ausdruck grade um soviel walirer und milder, als sich Formen und Farben (mit Ausnahme der Fleischtöne) mehr an Rubens Weise anschliessen. Ai Weitesten in der ihm eigenthümlichen Richtung geht ein dritles Bild in ders. Samml.: Christus am Kreuz, welcher einsam dargestellt und nur von dem Matigrau des verfinsterten Himmels umgeben ist. Der Körper ist voll und weich behandelt, aber stalt der Farbe kräftiger Gesundheit hat er einen bläulichen krankhaften Ton. Dessungeachtet ist der Ausdruck des Schmerzes im Gesicht nicht minder scharf, aber er macht nun, in Verbindung mit jener Fülle des Körpers, mehr den Eindruck weichlich verschmelzender Hingebung als männichen Ernstes und göltlicher Würde. Die Wirkung wird dadurch, zumal bei verwöhnten oder gereizten Gemüthern, stärker, aber es fehlt das beruhigende Motiv, welches gegen das auflösende Gefühl Hallung gibt und die wahre Würde des tragischen Runstwerkes bewährt. Das grosse Verdienst der van Dyckschen Porträts hängt hiemit zusammen. Denn in den höhern Ständen des 17. Jahrh. halte die moderne Bildung schon vielfach gewirkt; die Derbheit des Mittelalters war meist verschwunden und der Ueberrest der alten kraft durch Ueberlegung und Verstellung beherrscht. Der geistreiche Maler, dessen Kunst vorzugsweis die bölern Stände in Anspruch nahmen, hatte daber volle Gelegenheit, die Gabe scharfer Ausfassung leiser Züge anzuwenden, und uns die feine Mischung von Würde und Weltklugheit, Grandezza und Intrike, adeligem Sinne und Gewissenlosigkeit, Religiosität und Laster in ihren individuellen Modificationen zu überliefern.

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und gern behandelte Gegenstand: der todle Christus umgeben von den trauernden Seinen; auch malle van Dyck sehr viele Gekreuzigte und heilige Sebastiane. Fast alle andern Darstellungen -- die Porträts ausgenommen gehören in seine Antwerpener Zeit, wo im Style noch abhängig von Rubens war. Vor allen herrlich sind seine Grablegungen, wie nicht allein die beiden bereits erwähnten Bilder von verschiedener Auffassung im Antwerpener Museum, sondern noch zahlreiche anderwärts befindliche Gemälde dieses Gegenslands von theils wiederholter theils veränderter Composition (die weiter unten zur Anführung kommen) beweisen. - Anton van Dyck war kaum minder fleissig als sein Lehrer; er starb mit 42 Jahren (1641) und binlerliess gleichwohl eine sehr grosse Reihe von Werken, die mit weit mehr Sorgfalt im Einzelnen vollendet sind als die meisten Bilder von Rubens. — Die brabantische Schule, welche ihre Vollkommenheit nicht wie die meisten andern Schulen auf dem Haupte eines Künstlers concentrirt, hat in Rubens und van Dyck ibre höchste Blüte getrieben; beide Kunstheroen Brabants gehören untrennbar zusammen; sie ergänzen sicht, eben weil sie von einander verschieden und in ihren Richtungen nicht ähnlich sind.

Ausser jenen beiden Grablegungsstücken und dem ebenfalls schon erwähnten vortrefflichen Christus am Kreuze (einer kleinen Figur auf einem Hintergrunde von düstern Wolken) findet man im Museum zu Antwerpen ein Bild aus der Lehrzeit van Dycks: St. Dominik und St. Katharina von Siena unter dem Kreuze (letztere eine sehr schöne Figur), und zwei vorzügliche Porträtstücke, wovon eins den spanischen Diplomalen Scaglia, das andere den Anlwerpener Bischof Malderus darstellt. Bei Betrachtung des erstern Bildnisses verfolgt man mit Behagen die Züge des feinen Weltmannes und Polilikers.

Auch die Antwerpener Kirchen bieten Bildnisse und Historien van Dycks. In St. Jakob findet man rechts vom Haupteingange das Grabmal seines ersten Lehrers Hendrik van Baalen von ihm geschmückt mit den Ebenbildern des Meisters und der Meisterin. In einer Kapelle daselbst die minder gute Wiederholung des kleinen Kreuzbildes im Museum, und in einer anderu kapelle am Grabmale des C. Vanlantschot das Abbild dieses Antwerpeners - eine herrliche verschlossene Greisenphysiognomie, welche an Richelieu erinnert. In der Paulskirche eine Kreuztragung; in der Kapuzinerkirche ein todter Christus von den Angehörigen und zwei Engeln betrauert (eine der tiefsinnigsten und durchdachtesten Darstellungen dieses Moments). Sodann finden sich noch in Antwerpener Privalsammlungen (z. B. bei Sliers und Moretus) Porträts von Dyckscher Hand.

Zu Gent trifft man in der elsten Kapelle der Kirche St. Michael eine grosse Darstellung des Christus am Kreuz im Moment, wo ein Reiter ihm an einer Lanze den Schwamm reicht. Den Kriegern genüber stehen Johannes und die heiligen Frauen, auf deren Seite oben in der Luft weinende lindengel erscheinen. (Wir lassen nach diesem Gemälde einen Holzschnilt von Ritsch] v. Hartenbach folgen.) In einer Genter Privatsammlung (bei Baron Schamp) Skizzen und Bildnisse van Dycks.

Zu Courtray sieht man in der hintersten Kapelle des Chors der Frauenkirche eins der herrlichsten Werke des Meisters, die berühmte Aufrichtung des Kreuzes. Die wenigen Figuren sind kühn gezeichnet; der Reiter im Harnisch, dessen Gestalt so lebendig sich nach dem Zuschauer bin umwendet, die drei Henker, der Hund, Alles höchst kräftig und an Rubens erinnernd. Nur hat das Kolorit nich völlig dessen blübende Frische, dafür aber der Ausdruck des Schmerzes im Gekreuzigten tiefere und edlere Weichheit.

Im Brüsseler Museum ist bemerkenswerth die vortreffliche Skizze zu dem Kopfe des Juden mit dem Robre, der in van Dycks grosser Dornenkrönung (z. B. auf dem im Berliner Museum befindlichen Exemplare dieser Darstellung) angebracht ist. Daselbst auch das Porträt eines Autwerpener Bürgermeisters; das Studienbild: Kreuzigung Petri, ein Irunkener, auf einen Hirten und eine Bacchantin gestützter Silen

Herrliche Porträts im Palast des Prinzen von Oranien und im Palast Aremberg

Laat der Erzählung einiger Biographen soll van Dyck vor seiner Abreise nach Venedig ein Eccehomo, einen Christus im Garten und das Bildniss der Frau Rubens dem letztern zum Andenken verehrt und als Gegengeschenk vom Meister ein schönes Reitpferd erhalten haben. Der junge Künstler sei nun damit nach Brüssel geritten, habe sich aber hier absatteln lassen durch ein reizendes Mädchen aus dem Dorfe SaVenthem. Für Beweisstücke seiner Liebe zu diesem Mädchen hält man die in genanntem Dorfe befindlichen Altarbilder: St. Martins Manteltheilung, worin er zweifelsohne sich selbst und sein Pferd dargestellt hat und eine heil. Fami

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den Bildnissen dess. Saals befindet sich das schon erwähnte Selbstporträt des Meisters, das ihn in seiner kraftvolleren Jugend zeigt; nächstdem nennen wir seine Darstellungen der Maler Frans Snyders und Jan de Wael nebst dessen im Lehnstuhl sitzender Gattin mit dem Kinde; des Kupferstechers Karel Malery von Antwerpen; des Organisten Liberti elc. Ganz besonders interessant ist das Lebensbild Frans Snyders, der als Thierschilderer so ruhmvoll dasteht und seine künstlerische Bedeutsamkeit zumal in Jagden und Schlachten gezeigt, aber auch sein malerisches Vermögen im Landschaftlichen und im Stillleben bewährt hat. A. van Dyck hat diesen Künstler mit soviel Wahrheit und Individualität abkonterfeit, dass man beim ersten Anblick dieses Ebenbilds sofort überzeugt zu sein glaubt: so habe der Mann wirklich ausgesehen, als er etwa 30 Jahre alt war. Sein Haar, das nachlässig um den unbedeckten Kopf her hängt, wie auch sein Bart und Knebelbart sind etwas röthlich, sein Kleid und der Mantel, den er darüber trägt, ist schwarz. Dies Bildniss, das sich übrigens durch Lebhaftigkeit des Kolorits und durch vortreffliche Behandlung so sehr empfiehlt, ist auf Leinwand gemalt und stellt den Künstler in Lebensgrösse, aber nur im Brustbilde dar. Es ist hoch 2 F. 3 Z., br. 1 F. 9 Z., und hat duakelbraunen Grund. (Gestochen findet man es in dem bekannten aus 113 Blättern bestehenden Dycksehen Porträtwerke.) Im fünften Saale der Pinakothek sind bemerkenswerth die Nrn. 319 (Bürgermeister von Antwerpen, lebensgross), 321 (dessen Gemahlin), 327 (Bildhauer Colin de Nolé), 337 (Dycks Gemahlin mit einer Bassgeige, Maria Ruthven, geborene Gräfin v. Gorie), 351 Herzog Wolfe gang Wilh. von Neuburg) etc. Ob Jan Brueghel (Nr. 301) von Dyck gemalt ist, bleibt fraglicht. Kabinet XIII der Pinakothek enthält Skizzen van Dycks; unter Nr. 335 Maria de Medici, Nr. 338 Gustav Adolf, Nr. 342 Maler Palamedes, Nr. 343 Pieter Snayer, Nr. 344 Maler Lukas van Uden, Nr. 346 Prinz Fr. Th. von Carignan, Nr. 347 Tilly, Nr. 348 Wallenstein, Nr. 352 Wolfg. Wilh. v. Neuburg etc. Eins der höchsten Werke Dyckscher Bildnissmalerei findet sich unter den namenlosen Porträts : das Bild einer Antwerpener Bürgersfrau, welches den herrlichsten Porträtleistungen Tizians die Waage hält.

In der Sammlung des Herzogs von Leuchtenberg: zwei Bildnisse; die Kinder des Königs Karl I. von England.

In der Samml. der Kunstschule zu Stuttgart: ein Familiengemälde mit Halbfiguren, angeblich den Künstler selbst vorstellend nebst seiner Gemahlin, welche ein Kind auf dem Schoosse hat. Auf Leinw. hoch 3 F. 9 Z., br. 3 F. 7 Z.

Als seltene Beispiele eines Uebergreifens in die derbsinnliche Sfäre sind van Dycks ,,Susanna im Bade“ und „Zeus bei der Antiope" anzufübren, zwei nach München gekommene Bilder der vormaligen Düsseldorfer Gallerie, welche man nur als Beweisstücke von der Einwirkung Rubensischer Liebhabereien betrachten mag. Das vorzüglichere der beiden Wollustbilder ist die Darstellung Jupiters und Antiopens, ein über 6 Fuss hohes und 6 Fuss breites Gemälde. Fast nackt, die Arme an sich hingestreckt und die Füsse übereinander geschlagen, liegt sie da mit seitwärts gewendetem Antlitz im Schatten der Bäume, die schöne Antiope, und schläft. Liebesgötter befestigen an den Zweigen der Bäume über ihr ein Tuch, wie zu einem Gezelle. Ihre Kleider, aus weisser Leinwand und einem blauen Gewande bestehend, dienen ihr zum Lager. Durch das letztere werden einige Theile ihres Körpers verhüllt. In der Gestalt eines Satyrs nähert Jupiter sich der schlafenden Nymfe und hebt leise einen Zipfel der weissen Leinwand von Ihrem Busen in die Höhe. Man kann es nur ärgerlich finden, dass der travestirte Zeus so ganz im Satyr verloren, so ganz gemeiner Satyr ist, und dass er nebenbei, lediglich weil sein Adler sich blicken lässt, auch als Donnergolt anerkannt sein will. Was die Nymfe betrifft, so hat sie zwar eine frische Farbe, aber so wünderschön ist sie nicht, dass sie eine Jupitersverwandlung verdiente. Uebrigens wird man die ganze Composition anstössig finden. Freilieh beträgt sich der Götterzeisig diesmal gegen die Nymfe so ziemlich diskret; er hebt nar die Leinwand von ihrem Busen auf: aber er thut es doch mit der Lüsternheit, die zum Vorans vermuthen lässt, dass er gar nicht lange so diskret zu bleiben gedenkt. Die Composition als solche ist nicht ohne alle Grazie: die schlafende Figur hat ihre Schönheit, obgleich freilich nur nach niederländischem Begriff; der Schmelz der Farben ist lieblich, das Fleisch wahr und blutreich, die Leinwand nachgeahmt bis zur Täuschung

In der Samml. des Frhrn. von Rumohr, welche 1847 in Dresden zur Versteigerung gekommen und leider zerstreut worden ist, befanden sich zwei sehr zarte Kabinetstücke van Dycks: das Bildniss eines jungen Edelmanns mit blondem Haar, dicker

Halskrause und sonst reicher Kleidung (ein sehön erhaltenes, höchst geistreich vollendetes Bildchen von grosser Lebendigkeit und obgleich ein kleines Werk, doch des grossen Meisters würdig) und ein ähnliches, fast dieselben Züge bietendes Porträtchen, welches den Dargestellten in braunem einfachen Wamms und breitem, ebenfalls einfachen Halskragen zeigt. Letzteres Bild ist ebenso trefflich von innerm Kunstgehalt; die Wendung wie in ersterem nach links. Beide sind auf Holz gemalt und jenes hat nur 3 Zoll 9 Linien Höhe bei 3 Zoll Breite.

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sehen. Oben rechts geschrieben : le Duc de Arbergh. (Mit schwarzer und rother Kreide, wenig getuscht und mit einigen Federstrichen auf weiss Papier; 6 Zoll 3 Lin. hoch, 4 Zoll 6 Lin. breit. (Ferner die mit grösster Wirkung dargestellte Büste eines jungen Mannes von Dreiviertel gesehen, mit einfach gescheiteltem Haar und einfacher Halskrause. Vortreffliche Zeichnung von ausserordentlicher Lebendigkeit und Wahrheit; auch sehr schön erhalten. (Mit schwarzer, rother und weisser Kreide aur graugelblichem Papier; 10 Zoll 6 Lin. hoch, 7 Zoll 6 Lin, breit.)

Nach van Dyckschen Gemälden stach Paul Pontius den Meister selbst mit auf den Tisch gestemmter Linken (Kniestück), den Prinzen Franz Thomas von SavoyenCarignan (Halbfigur), den Erzherzog Ferdinand, Gouverneur der Niederlande; die Figurenmaler Simon de Vos und Daniel Mytens; ferner die Maler Jan Wildens, Hendrik Steenwyck, Palamedes, Jan van Ravestein, Gerhard Honthorst, Theodor van Loon, Theodor Rambouts, Hendrik van Baalen, Adrian Stalbent, Gerhard Seghers, Martin Pepya, Kaspar de Crayer, Jakob de Breugk; die Porträts des Abbé Scaglia, des Kunstfreundes Cornelis van der Geest, des Rechtsgelehrten Kaspar Gevarlius, des Rathsherrn Nikolaus Rockox (erster Druck bezeichnet mit dem J. 1639), des span. Raths Jan Wouwer, der Königin Maria de' Medici, des Prinzen Friedr. Heinr. v. Oranien, der Prinzessin Marie von Ahremberg, des Grafen Jobann von Nassau, des Grasen Emanuel Perera von Feria, des Grafen Hendrik van der Berghe, des Ministers Balthasar Gerbier, des Marquis Olivarez von Santa Cruz, des Marquis Philipp de Gusman, des Generals Oliver Basan, des Jesuiten Karl Scriban, des Generals Don Carlos de Colonna, des Königs Gustav Adolf, und die zwei Hauptblätter, welche den Antwerpener Stecher Paul Pontius selbst und die Halbsgur Peter Paul Rubens (mit der Hand auf der Brust) vorführen. Peter de Jode stach den Groeningschen Domorganisten Hendrik Liberti und den Historienmaler Jakob Jordaens. Von Lukas Vorsterman ward gestochen der Graf Thomas Howard Arundel und seine Gemahlin (Halbfiguren), der Don Francisco de Moncada (Halbfigur und wie das vorige ein Hauptblatt; D. A. van Dyck Eques pinx.· Luc. Vorst. sc.), der Prinz Gaston von Frankreich, Herzog von Orleans (Halbsigur), der Aetzer Jacques Callot etc. Durch Schelte a Bolswert der Historiograph Justus Lipsius etc. Durch Hendrik Snyers Prinz Ruprecht von der Pfalz vor einem Vorhange; durch Adrian Lommelin die sitzende Halbigur des Ritters Jacques le Roy (Bl. vom J. 1654); durch Jan van der Bruggen die Halbfigur van Dycks (Schwarzkunstblaut vom J. 1682); durch Thomas Chambars die Helena Forman, Rubens zweite Frau, ganze Figur in einer Landschaft (Bl. vom J. 1767 in der Boydellschen Samml.); durch Beckett König Karl I. von England, Büste von vorn (Schwarzkunstblatt); durch F. Michelis der Prinz Wilhelm II. von Oranien, nachmaliger Statthalter von Holland, als kind in ganzer Figur (Schwarzkunstblatt nach dem Bilde in Dessau); durch Rob. Strange Karl I. und dessen Gemahlin Henriette Maria in ganzen Figuren (zwei Kapitalblätter); durch Rapb. Morghen der Herzog von Moncada in ganzer Figur zu Pferd (ein unter dem Namen le Cavalier bekanntes Hauptblatt, Prachtstich in Royalfolio nach dem berühmten aus dem Palast Braschi in die Gall. des Louvre gewanderten Gemälde); durch Jos. Caspar Prinz Thomas von Carignan (bedeutsames Bl. nach dem Berliner Bilde) und durch Ed. Mandel das Selbstporträt van Dycks (Hauptblalt nach dem Bilde in Paris).

Nach dem angeblichen Bildniss des Bruders von Rubens, welches als Dycksches Werk in der Dresdner Gallerie bemerkt wird, existirt ein treffliches Helldunkelblatt von dem pamhaften zu Antwerpen in Rubens' Schule herangebildeten deutschen Formschoeider Christoph Jegher.

Der sogen. Cromwell (ein geharnischter Mann mit rother Binde um den Arm) und der sogen, Siebenbürge (ein sitzender Greis im Pelzrocke), beide Bilder in ders. Gall., sind in Slichen von Gottlieb Rasp bekannt. Andre daselbst befindliche Porträtstücke: (karl I., dessen Kinder und ein Unbekannter) finden sich lithographisch wiedergegeben in Hanfstäng l's Galleriewerke.

Nach in England befindlichen Personalbildern stachen Wenzel Hollar (den Canterburyschen Erzbischof W. Laud, 1640; den Sir Philipp Herbert, Grafen von Pembroke; den Thomas Howard, Grafen von Arundel (Bl. vom J. 1646]; die Galathea Talbot, Gräfin von Arundel ; Maria Stuart, Gräfin von Portland (Bl. vom J. 1650); den Thomas Wentworth, Grafen von Stafford (1640), die Elisabeth Villiers, Herzogin von Lenox etc.) John Smith (den König Jakob mit dem Orden vom heil. Georg (das Gemälde vom J. 1617] und Karl I. im Krönungsmantel), Beckelt (den König Karl im Kürass), Willem de Passe (Jakob den Ersten, den Grafen Robert Dudley von Leicester, den Herzog Georg Villars von Buckingham, die Herzogin Franziska von Richmood etc.), John Payne (Pfalzgraf Karl Ludwig, Algernoun Percy, Graf v. Northum

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(der beil. Martin), J. H. Robinson (die Abweisung des Kaisers Theodosius durch den heil. Ambrosius, ein Bl. des Prachtwerks: the National-Gallery), Bartolozzi (van Dycks Gemahlin mit dem Kinde), W. Ward (die Vermählung der heil. Katharina mit dem Kinde, ein Blatt in der seit 1839 erschienenen Royal Gallery of Pictures, being a Selection of the Cabinet-Paintings in Her Majesty's Private Collection at Buckingham-Palace) u. A. m. Vom Gichtbrüchigen, einem Bilde der Münchener Pinakothek, fodel man eine Steinzeichnung im Piloty-Loebleschen Galleriewerke. Nach dem herrlichen Gemälde zu Dresden, welches die goldberegnete Danaë schildert und als ein kostbares Stück Fleischmalerei die Anlwerpener Periode des zweiten Rubens verräth, trifft man eine Lithographie im Hanfstänglischen Werke. Hinsichtlich der in den Niederlanden befindlichen Hauptwerke van Dycks ist auf die geistreichen und geschmackvollen Nachbildungen in dem unter Verboeckhovens Leitung erschienenen Album lithographié par Lauters et Fourmois d'après les principaux Peintres Flamands et Hollandais und auf die nach Zeichnungen von H. Hendrickx und Fr. Stroobant durch Lacoste, Vermorcken, H. und W. Brown malerisch gestochpen Blätler in den mit Text von H. G. Moke, Ed. Fétis und A. van Hasselt begleiteten Splendeurs de l'Art en Belgique aufmerksam zu machen.

Dyck, Daniel van, ein mit Anton van Dyck gleichzeitiger, aus Flandern gebürtiger Maler und Stecher, von dessen Lebensverhältnissen nur soviel bekannt ist, dass er längere Zeit in Venedig arbeitete, hier die Malerin Lucretia Regnier zur Frau nahm und endlich zu Mantua im J. 1658 die Stelle eines Oberaufsehers der herzogl. Gallerie erhielt. Gemälde von ihm sollen sich in Venediger Kirchen befinden. Man kennt ibo sonst nur durch einige Aetzblätter, die mit breiter Nadel gefertigt und mit kleinen Punkten vollendet sind. Ansprechende Compositionen sind das Bacchanal (ein Hauptblatt) und Diana mit Endymion (bezeichnet: D. van den Dyck).

Dyck, Philipp van, der sogen. kleine Vandyck, gebürtig von Amsterdam, gest. 1752 im 13. Lebensjahre, war ein Schüler des A. van Boonen und malte in kleinem Format eine Menge Porträts, Historien und Georestücke. Er führte einen sehr zarten, reinen und fleissigen Pinsel, und erinnert in seiner Malweise an Gerhard Dow und Franz Mieris. Auch ist seine Zeichnung zu rühmen, die minder befangen ist als die seines Lehrmeisters; andrerseits ist er indess diesem nicht gleichgekommen, nämlich hinsichtlich der Kraft und Wärme des Kolorits. Eigen ist seinen meisten Bildern ein ios Schwarze fallender Ton. Immerhin aber bleibt er als Maler eine Grösse im Kleinen und einer der besten Meister jener sinkenden Kunstzeit. Er scheint eine Zeitlang als Porträtist gereist zu sein, wenigstens war er als solcher am Hofe zu Kassel etc. Von seinen Bildnissen und Familienstücken sowie von seinen scenischen Bildchen aus dem vornehmen Leben sind einige in Kupfer gebracht worden. Der Meister Jakob Houbrakeo slach nach ihm den Prinzen Moritz von Nassau-Oranien, den Cornelius van Bynkers-Hoeck (1743) und ein Selbstporträt. John Faber slach den Prinzen und die Prinzessin von Oranien, P. Tanjé den Gustav Wilhelm von Imhoff, Massard dle Sara, welche dem Abraham die Hagar vorstellt, und Porporali die Verstossung der Hagar.

Dyckerhoff, Joh. Friedrich, grossherzogl. Badischer Bauinspector zu Mannheim, geb. daselbst am 23. Januar 1789, zeigte schon in früher Jugend Neigung zur Kunst, widmete sich dem Fach seines Vaters, der Baudirektor zu Mannheim war, studirte von 1806 – 10 die Baukunst beim Oberbaudirector Weinbrenner in Karlsruhe, machte sodann eine wissenschaftliche Reise über Wien durch Steiermark nach Italien und kehrte, nach einem zweijährigen Aufenthalte in Rom, durch Frankreich und die Schweiz in seine Vaterstadt zurück. Ausser vielen in Jtalien gemachten Studien und Entwürfen zu grösseren öffenllichen Gebäuden werden von den bisher zu verschiedenen Zwecken durch Dyckerhoff ausgeführten Gebäuden ihres anerkannt richtigen Baustyles und ihrer Einrichtung wegen nur folgende erwähnt: die Kirchen in Käferthal, Hockenheim und Kielach, die Rathhäuser in Käferthal, Schwetzingen und Roll, das grosse evang. Schulgebä ude in Mannheim, die Schul- und Pfarrhäuser in Hockenheim, Řeilingen, Käfertbal, Altlussheim, Freuden heim und Schwetzingen, das Amtsgefängniss und das Wirthschaftsgebäude Kaisershütte in Mannheim, die Landhäuser des Grafen v. Oberndorf in Neckarhausen, der verst. Mad. Nies in Heidelberg, des Hrn. v. Baler in Weinheim etc., die Gartengebäude von Bankier Bassermann und Renisard zu Mannheim, die Schlosseinrichtungen und Oekonomiegebäude des verst. Feldmarschalls Wrede in und bei Langenzell, die Oekonomiegebäude des herrschaftl. Neuzenhölzer Hofs bei Weinheim etc. Als zur Herausgabe bestimmte Werke liegen von Dyckerhoff im Manuscript vor : 1) Sammlung ausgeführter und projeclirter Gebäude (1. u. II. Theil) 2) eine Schrift „über den Bolirversuch auf einen artesischen Brunnen bei Mannheim.“ Dyokman, Jakob, ein in Antwerpen lebender Volksmaler, dessen Leistungen sehr gerühmt werden. Man fand besonders ausgezeichnet die alte Spitzenklöpplerin mit der Katze zu ihren Füssen ; sie sitzt klöppelnd am Fenster, wo ein Blumentopf steht, und ist mit einer Wahrheit geschildert, wie man sie nur bei Gerbard Dow findet. Dies Bild sah man im J. 1844 bei den Kunsthändlern Gebr. Nieuwenhuys in Brüssel. Vortrefflich ist sodann auch Dyckmans Fischmarkt von Antwerpen, welches Bild in die Sammlung des Königs der Niederlande im Haag übergegangen ist. Eine geistreiche Federzeichnung auf Pergament, den Räuberüberfall nach Jacques Callot darstellend, sah man als ein Jugendwerk Dyckmans im Blätterschalze des Kunsthändlers Rud. Weigel zu Leipzig.

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raths Witting, setzte dieselben im Atelier des Oberbaudirectors Weinbrenner zu Karlsruhe von Anfang des J. 1823 bis zu Weinbrenners Tode (Frühling 1826) fort, ging im Sommer 1826 nach Italien und kehrte nach einem zweijährigen, von der hannoverschen Regierung unterstützten Aufenthalte daselbst (grossentheils zu Rom) im Herbst 1828 nach Hannover zurück. Vom Frühling 1829 an fand er bei den dasigen Militärbauten Beschäftigung, und bei Errichtung der höhern Gewerbschule Hannovers ward er an derselben als Lehrer der Architektur angestellt. 1831 erhielt er von der Regierung den Auftrag, gemeinschaftlich mit dem Leibchirurg, jetzigen Hofrath Dr. Holscher die beim Ausbruch der Cholera an den preussisch-polnischen Grenzen errichteten Contumazanstalten in Augenschein zu nehmen, um danach eine solche Anstalt an der Elbe (bei Damnatz) einzurichten. Die Ausstellung der AlexandersSäule im Sept. 1832 gab ihm Veranlassung, Petersburg zu besuchen. 1843 unternahm er eine zweite Reise nach Italien. Die vorzüglichern nach seinen Entwürfen ausgeführten Gebäude in Hannover sind: die höhere Gewerbschule,

das Kadettenhaus, die Blindenanstalt. Die erstere ist, was die Architektur ibres Aeussern betrifft, im ernsten und einfachen Stylcharakter der florentinischen Bauwerke des 13. Jahrh. gehalten; die Erbauung dieser würdigen Gewerbshochschule, deren Kosten sich auf 56,000 Thaler beliefen, fällt in die Zeit von Beginn 1835 bis Oktober 1837. Eine detaillirte Beschreibung (nebst Vorderansicht und Grundrissen) des der hannoverschen Hauptstadt zur Zierde gereichenden Gebäudes liefert Karl Karmarsch in seiner 1844 in 2. Aufl. erschienenen Schrift: „Die höhere Gewerbschule in Hannover.

.“ (S. 115 — 126.) Ebenist, Kunstschreiner.

Eberbach, ehemalige Cisterzienserabtei an der südlichen Abdachung des Taunusgebirgs, weist zwei kunstgeschichtlich interessante Kirchen auf, die sogenannte ältere und die grössere Klosterkirche. Die grössere (die eigentliche Hauptkirche des Klosters) erscheint als eine mächtige romanische Gewölbkirche, streng und schmucklos ausgeführt, wie es bei den Kirchen des Cisterzienserordens Silte war. Sie ist um Milte des 12. Jahrhunderts gegründet und im J. 1186 eingeweiht worden. Die Behandlung ihrer Formen entspricht auch ganz dieser Bauzeit. Die sogen, ältere Kirche (falls dies Gebäude überhaupt eine eigenlliche Kirche war) bildet einen oblongen Raum, welcher durch zwei Säulenstellungen mit überhöht spitzbogigen Kreuzgewölben in drei Schiffe von beinah gleicher Breite und Höhe geschieden wird und an der einen (gen Süden liegenden) Schmalseite mit einem kleinen quadratischen Ausbau versehen ist. Alles Detail hat hier die zierlich elegante Ausbildung des spätromanischen Styls. In F. Geler's und Görz' „Denkmalen romanischer Baukunst am Rhein“, wo die ersten drei Kupferblätter diese Kirchen betreffen, wird darzulhun gesucht, dass die letztgedachte die ursprüngliche, zu Anfang des 12. Jahrh. erbaute Kirche sei, da sie wirklich an der Stelle befindlich ist, wo die ällern Klostergebäude standen. Diese wurden aber im Beginn des 13. Jahrh. in ein Hospital umgewandelt, und es lehrt der Augenschein, dass die in ihren Detailbildungen durchaus den Formen dieser spätern Zeit entsprechende Kirche zu den Hospitalanlagen gehörte, also gleichzeitig mit denselben aufgeführt wurde.

Eberhard, Franz und Konrad, zwei in ihrer Blütenzeit unserm Jahrhundert angehörende bairische Bildschnitzer und Bildhauer, die ihre Trefflichkeit zumeist in Reliefcompositionen, Medaillons und Büsten beurkundet haben. Diese Kunstgebrüder, deren Vater und Grossvater schon Bildhauer waren, sind zu Hindelang im Allgau geboren (lionrad, der Jüngere, am 24. Nov. 1768). Sie begannen unter väterlicher Leitung schon früh in Holz zu schnitzeln und in Stein zu meiseln, zumeist für Kirchen, sowohl einzelne Heiligenfiguren als auch gruppenreiche Darstellungen im Kleinen, und zeichneten sich bald in ihrer Bildnerei, wobei sie mit völlig religiösem Sinne zu Werke gingen, durch ausserordentlich sorgfällige und zierliche Arbeit aus. Die Raive llerzenseinfalt, die sich in den vielen (in der Künstlerheimath bei Privatpersonen befindlichen) Jugendarbeiten der Eberhards ausspricht, blieb ganz dieselbe in den spätern Werken, welche von den Eberhards als gereiften Männern und Meistern geschaffen wurden. Diese liefe und so anmuthig sprechende Innigkeit ist der Grundzug, der all’ ihre Darstellungen auszeichnet und auf Jeden, der den Sinn dafür mitbringi, die anziehendste Wirkung übt. So erscheint bei den Eberhards die Anschauungsweise des frommgläubigen Mittelalters mit den technischen Fortschrilten der neuern Vernunstzeit auf das Anmuthigste und Wirksamste vereinigt. Aus jedem ihrer Gebilde athmet der liefreligiöse Geist, von welchem sie bei der Arbeit selbst beseelt waren; ihr Leben aber war ein eng verbrüdertes Streben nach künstlerischer und geistiger Vollkommenheit, nach ächtchristlicher Künstlervollendung. Der letzte Kurfürst von Trier und Fürstbischof von Augsburg, Clemens Wenzeslaus, der den Sommer über in Oberstorf wohnte und häufig nach Hindelang kam, gewährte dem jüngern Eberhard im J. 1798 die Hilfsmittel zum Besuch der Münchener Akademie. Hier erweiterte denn Konrad seine Bildung im Atelier des Roman Boos; doch begann erst seine eigentliche Kunstentwickelung, als das Augsburger Bisthum an Baiern gefallen und er bei dieser Gelegenheit von seinem ihn bisher beschäftigenden fürstbischöflichen Gönner an den König Max und den Kronprinzen Ludwig empfohlen worden war. Letzterer gewährte ihm nun die erfreulichste Unterstützung, sandte ihn mit Austragen nach Rom und liess ihm hier volle Musse zum Studium der klassischen Gebilde. Während seines Aufenthalts in Italien arbeitete er aus karrarischem Marmor eine Muse mit dem Liebesgott (dieselbe ist 4 F. 2 Z. hoch und befindet sich in der Glyptothek zu München, im Saale der Neuern); mehre Büsten für die Walhalla; die jugendlich kräftige Gestalt eines Faun, der in behaglicher Ruhe mit etwas vorgestrecktem rechten Beine auf einem Weinschlauche ruht, während ihm auf dem lioken zurückgezogenen Schenkel der weinlaubekränzte Bacchusknabe sitzt, der ihn am Barte zupft; eine Leda von ausserordentlich frischem Liebreiz, welche auf einem Steine sitzt und darauf ihre Rechte stützt, während die Linke sich an den Hals des an ihr mit leiser Flügelbewegung emporgerichteten und zu ihr sehnsüchtig emporschauenden Schwanes schmiegt; endlich eine Diana in vorschreitender Bewegung, welche in einem dünnen eng anschmiegenden Gewande, dessen fliegende Falten rückwärls sich vereinigen, mit dem Bogen in der Linken und mit dem Köcher auf dem Rücken durch den ihre Rechte erfassenden Amor sich zum Endymion führen lässt. Diese schönen Statuen des Faun, der Leda und der Diana aus karrarischem Marmor fanden ihre Aufstellung im Kabinetsgarten zu Nymfenburg, wo sie noch heute ihre Stelle vor dem damaligen Sommerlogis des Königs Max einnahmen. — Im J. 1816, wo Konrads Ernennung zum Professor der Bildhauerei an der Münchener Akademie erfolgte, entstand sein herrliches Relief zum Grabmal der Prinzessin Karoline, das sich rechts im Seitenschiffe der Theatinerkirche befindet. ,,Zwei Engel lapfen den Vorhang vor dem Ruhebett des sterbenden Kindes, damit die Mutter, sich zu den Lippen der geliebten Tochter hinneigend, das letzte Lebewohl der scheidenden Seele zuhauche. Ausserdem führte er mehre Reliefs aus, die alt- und neutestamentlichen Inhalts sind, arbeitete Büsten der heil. Jungfrau und des Heilands und stellte auch en buste mehre seiner Freunde dar. Neben diesen Arbeiten entstand ein Bildniss des Feldmarschalls und Grafen Münnich, auf welchen Deutschen, der Russland gedient hat, sein Vaterland durchaus nicht stolz ist. (Dies Porträlstück ist la der Glyptothek aufgestellt, und zwar sehr passend neben dem Bilde des teutonischen Waldpoeten Grafen Leopold Stolberg, welcher Roms Knecht ward.) – Für die Allerheiligenkirche zu München schuf Konrad das Portalrelief, welches den segnenden, das Evangelienbuch mit dem A und 2 haltenden Wellerlöser (tbronend auf den vier evangelischen Thieren und verehrt von Maria und Johannes dem Täufer) zur Vorstellung hat; ferner auf den Thürpfeilern daneben die Bildsäulen der Apostel Petrus und Paulus. Auch entstanden unter seiner Hand die kolossalen Sandsteinbilder des Erzengels Michael (Sinnbild der Gerechtigkeit) und des heil. Ritters Georg (Sinnbild der Tapferkeit), welche zu Seilen des Haupteinganges am Isarthore der Residenz stehen. — Zu Konrads weitern Werken von Bedeutung gehören die Denkmale der Bischöfe Sailer und Wittmann im Regensburger Dome. Die Ausführung dieser marmornen Grabdenkmale erfolgte ebenfalls im Auftrage König Ludwigs, jedoch unter reicher Beisteuerung des Diözesanklerus und der Bisthumsgläubigen. Ihre Aufstellung im Dome fand im J. 1837 statt, wo sie am 2. September durch Franz Xaver Schwäbl, den würdigen Nachfolger der verklärten Bischöfe, in Gegenwart der Behörden, des Klerus und der Landwehr der Stadt Regensburg nach einem Todtenamte feierlich eingesegnet wurden. Das Denkmal des ehrwürdigen Johann Michael Sailer (welches hier im Hotzstich von Aloys Brunner mitgelheilt wird) besteht in einer Gruppe von drei lebensgrossen, ganz ansgearbeiteten Figuren. In der Mitte sitzt auf dem bisehöflichen, im altdeutschen Style gearbeiteten Stuhle der hochwürdige Seelenbirt im Amtsschmucke, eine treue Bildnissgestalt, das Haupt rechts emporgerichtet zum Crucífix, die linke Hand an die Brust haltend und in der Rechten die Feder fassend wie im Begriff um in das von einem knieenden Ministranten ihm dargebotene offene Buch zu schreiben. Von der andern Seite naht dem Bischof ein zweiter Kirchendiener, der in der Rechten ein grosses Buch und in der Linken den Krummstab hält. Das zweite, dem Nachfolger Sailers Georg Michael Wittmann geweihte Marmormonument schildert diesen Frommen, der ein halbes Jahrhundert hindurch unter den Regensburger Diözesanen gelebt und für dieselben gewirkt hatte, im Moment seiner Auflösung; man sieht ihn nur einfach durch die Mütze als Bischof bezeichnet auf einem Sarkophage ruhend und mit gefalteten Händen seine scheidende Seele dem Gekreuzigten befehlend, dessen Bild sich über seinem Lager erhebt. - Auch Arbeiten in Alabaster gingen aus Konrads Hand hervor, namentlich mehre kleinere religiöse Darstellungen, bei welchen ihn sein Bruder Franz unterstützte, der im J. 1836 zu München verstarb. In den letzten Jahren beschäftigte sich Konrad häufig mit der Ausführung von Zeichnungen ernster religiös - symbolischer Entwürfe, deren er manche auch früher schon in Oelbildern in eigenlhümlich an

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Echion hiess ein Bildgiesser nnd Maler des alten Griechenlands. Plinius gedenkt dieses Künstlers besonders als Malers und nennt von ihm eine nova nupta verecundia notabilis, von welcher man vermuthet, dass sie das Urbild zur ,,Aldobrandinischen Hochzeit" abgegeben haben dürfte.

Echo, die Nymfe. - Die Echo als selbständiges göltliches Wesen kommt in den homerischen Gedichten nie, bei den Lyrikern und Dramatikern nur änsserst selten vor., Erst allmälig hat sie sich aus dem Chor der Berg., Wald- und Wassernymfen unter besonderem Namen, in bestimmterer, qualitativ beschränkterer, aber quantitativ deshalb ausgedehnterer Wirksamkeit ausgeschieden. Der Berg- und Waldgott Pan, der Lärmliebende und Viellärmende, hatte eine inbrünstige Liebe zu der Nymfe des Schalles und Wiederhalles; er fand aber keine Erhörung, denn ihr Herz war dem schönen Jäger Narcissus zugewendet. Oft hatte sie, erzählt Ovid in den Metainorphosen III, 357 ff., die Hera, wenn sie den Zeus bei den Nymfen zu überraschen gedachte, mit ihrem Geplauder so lange verweilt, bis die Nymfen entronnen waren. Als Hera dies merkte, schwur sie ihr Rache:

Dieser Zunge Gewalt, die mich belistete, sprach sie,

Soll dir gering hinfort, und kurz der Stimnie Gebrauch sein. So wird Echo zur Nymfe, die weder zuerst zu reden vermag, noch zu schweigen gelernt, wenn ein Anderer redet. Sie sieht den schönen Narcissus in den Waldtbälern jagen, und entbrennt in Liebe zu ihm. Oft will sie ihre Liebe gestehen, aber ihre Natur gestaltet es nicht, dass sie zu reden beginne. Desto aufmerksamer lauscht sie auf das Wort des Geliebten. Verirrt von den Begleitern

Rief er: ist keiner denn hier? und hier! antwortete Echo;
Jener staunt, und indem er mit spähendem Blicke sich umsieht,
Rufet er: Komm ! laut auf ; Komm! ruft sie dem Rufenden wieder.
Rückwärts schauet er; Keiner erscheint. Was, rufet er endlich,
Meidest du mich? Was meidest du mich? antwortet die Stimme.
Jener besteht, und getäuscht von des Wechselhalles Gegaukel,
Hier uns vereiniget! ruft er; und freudiger keinen der Töne Nachzutönen bereit: uns vereiniget! ruft sie entgegen;

Und sie gefällt in den Worten sich selbst. Aus dem dicken Gesträuch nun


Trat sie hervor, mit dem Arm den ersehnten Hals zu umschlingen.
Jener entflieht, und entfliehend: Hinweg die umschlingenden Hände, Saget er; lieber den Tod, als dir mich zu schenken, begehr' ich !

Nichts antwortete jen', als : Dir mich zu schenken begehr' ich !


Und die Verachtete schlüpft in den Wald ; ihr errölhendes Antlitz
Deckt sie mit Laub, und lebt seitdem in einsamen Grotten.
Dennoch haftet die Lieb', und wächst von dem Schmerze der Weigrung.
Wachsame Sorge verzehrt den schwindenden Leib zum Erbarmen ; Ganz verschrumpft ihr die Haut vor Magerkeit, und es entfliegt ihr

Jeglicher Saft in die Luft; nur Laut und Gebeine sind übrig.


Tönend bleibet der Laut; das Gebein wird in Felsen verwandelt.
Immer noch lauscht sie im Wald, und nie auf dem Berge gesehen,

Wird sie von Allen gehört; ein Nachhall lebet in jener. Den Grund, warum Narciss die Liebe der Echo verschmähte, findet man darin, dass er ein Wesen verschiedener Art war, ein Dämon, der die Stille und Ruhe liebt, wie denn die Narcisse bei den Alten in enger Beziehung zum Tode stand, und das Sichimwassersehen Tod für den, der sich gesehen hat, selbst oder für einen seiner Angehörigen bedeutet. (Artemid. Oneirocrit. II, 7.) Daher hat man anch vermuthet, dass die Jünglinge mit über das Haupt geschlagenen Armen und entsprechendem Ausdruck des Gesichts, die sich auf Sarkophagreliefs und in einigen runden Werken floden,

den Narcissus als einen Genius der ewigen Rube oder des Todes auf sein Bild sehend darstellen. Indess gehört diese Vermuthung zu den gewagtesten Folgerungen, wie sie denn auch bereits, namentlich durch Chr. Walz, entschiednen Widerspruch erfahren hat. Hinsichtlich der Kunstvorstellungen der Echo bleibt zu bemerken, dass im Alterthum ihre bildlichen Darstellungen nicht sellen waren, denn der ältere Philostratus erwähnt eines Erzbildes der Echo, und in der Anthologie finden sich mehre Epigramme auf Bilder derselben ; ob sich aber unter dem auf uns gekommenen Statuenvorrath ein Bild der Echo finde, ist sehr zweifelhaft. Dagegen glaubt Wieseler sie auf zwei pompejanischen Gemälden im Museo Borbonico, Vol. VII. Tav. IV. und Vol. 1. Tav. IV., in Verbindung mit Narciss zu erkennen. (Vgl. Die Nymfe Echo, eine kunstmythologische Abhandlung von Prof. Fr. Wieseler in Göttingen. 4. 18 S. nebst einer Bildertafel. Erschienen 1814 in Commission der Dieterichschen Universitätsbuchhandlung zu Göttingen.)

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cher derselbe im J. 1814, vor seinem Einzuge in die Hauptstadt, elliche Tage zu Ecouen verlebte, Unter den vielen schönen Villen, welche dieser Ort aufweist, zeichnet sich besonders das dem Grafen Narbonne gehörende nelle Schloss Adeline aus.

Ectypa scalptura heisst bei Plinius die erhabene Arbeit in Edelstein, der Hochschnitt der Gemmen oder die Cameenarbeit.

Edelink, Gerard, ein Stecher ersten Ranges, ja wohl der grösste Meister seines Facbs, der Schluss und Gipfel der niederländischen und französischen Slecherschulen, ward 1649 zu Antwerpen geboren, erhielt seine erste Anweisung zur Grabstichelkunst durch Cornelius Galle, entwickelte aber sein unvergleicbliches Kunsttalent erst in der Lehrzeit bei Franz de Poilly in Paris. Bald hatte Edelink diesen Meister nicht nur erreicht, sondern ihn wie alle andern Stechergrössen übertroffen. Der Mipister Colbert empfahl den Künstler, der schon eine so höchst bedeutsame Kunststufe errungen, dem Könige Louis XIV., und so erhielt Edelink freies Quartier in der Gobelinsmanufaktur und mehre andre königliche Gunstbezeugungen, welche zur Förderung seines künstlerischen Strebens beitragen sollten. Unter den mehr denn 400 Suchen meist grossen Formats, welche man von Edelinks Hand kennt, ist auch nicht ein mittelmässiger zu finden; wohl aber hat sein Verhältniss zum Hofe und zu zeitgenössischen Malerberühmtheiten manchen Auftrag und manche Gemäldewahl zur Folge gehabt, die seines die betreffenden Malerwerke verherrlichenden Grabstichels nicht würdig genug waren. Edelink war in hohem Grade der Zeichnung mächtig, nicht nur von Seiten des Umrisses, worin sich vor allen Andern Marcantonio auszeichnete, sondern auch von Seiten des Helldunkels, der Lichtperspection und Abwechselung, durch welches Alles zusammen erst, auch ohne Hilfe des Kolorits, sieh die genaueste Darstellung des Wahren und Schönen bilden kann. Hinsichtlich des Stiches selbst haben Edelink zwar Viele in Dem und Jenem überboten, seine Landsleute z. B. an Kraft und Feuer, und man möchte fast sagen, auch in den Tinten ; sein Mitbewerber Audran an Freiheit des Vortrages und im Verständniss der Massen des Helldunkels; Masson in der Mannichfaltigkeit der Lokaltöne; Visscher an Lebendigkeit und Kühnheit; Pierre Drevet in der Einigung und Weichheit der Töne; Flipart, Strange und Barlolozzi in der Porosität des Fleisches: Fiquet in der Feinheit der Arbeit; Balechou, Wille und viele Andre in der Reinheit des Schnitles; Woolet und Andre in der Behandlung des Erdreichs, der Bäume und Berge, des Wassers und der Luft, des Nebels und Rauches; - Keiner aber vereinte in sich so viele Verdienste, als sich bei Edelink, diesem ausserordentlichen, eine eigene Epoche in der Geschichte der Kupferstechkunst bildenden Manne, zusammenfinden. Nach vielen und viel bedeutenden Vorgängern erscheint er als der Grossmeister der Stecherei, und eine lange Nachfolgerreihe schaut nach ihm als ihrem edelsten Vorbilde zurück. Keiner kam ihm in dem wichtigsten Theile der Stechkunst, in der perspektivisch wohlberechneten Bewegung der Strichlagen und in der gründlichsten Kenntniss der Form und Rundung der Körper nur gleich, geschweige dass Einer ihn besiegt hälle. Eben die überaus schwierige Bewegung der Strichlagen erscheint bei Edelink so natürlich und fügsam, dass auch die intrikanteste Verwickelung der seltsamsten Zufälligkeiten ihn auf keine Weise hinderte oder verwirrte, und gleichwie ein Thermometer auch die kleinste Veränderung durch Steigen und Fallen anzeigt, so biegt sich im Nu sein Stichelschnitt bei jeder noch so kleinen entgegenkommenden Erhöhung oder Vertiefung, indem er sich auf bewundernswürdige Weise weder mehr noch minder, als grade nöthig, erweitert oder verengt. Mit solchem Takt jeden durch ihn wiederzugebenden Gegenstand streisend, verfolgt der Edelinksche Schnilt seinen Gang, wie der Daumen des geschickten Bildners sich dem weichen Thone anschmiegt und umherbewegt, um dem Modell Seele und Anmuth zu geben, nie unnöthig gewagt oder eigensinnig, sondern stets gemessen und gemässigt das Nothwendige, bald sich herunterneigend zu sanfter Punktirung, bald beharrend im stärkern Kunstmachwerke, bald mit der zweiten oder dritten Linie überkrenzend, und immer mit dem schwer zu vollführenden Anscheine von Leichligkeit und mit jenem Gleichgewichte des Kunststücks, wodurch das wahre Schöne bei Gegenständen aller Art hervorgebracht wird. Daher sind die Stiche dieses Grössten unter den Stechern hinreichend kräftig im Dunkel, obne schwarz zu sein; die Lichter zusammengehalten, nicht gläsern; rein im Schnitt, nicht glänzend ; fest und entschieden an rechter Stelle, nicht übertrieben; weich, nicht baumwollen ; abwechselnd im Tone, nicht unharmonisch. Unter seinen vierhundert Blättern heben sich ganz vornehmlich hervor: die heil. Familie nach dem raffaelischen Bild im Louvre (in welchem Sliche uns Edelink ganz die grossartige Heiligkeit, die aus dem Gemälde des göttlichen Urbiners spricht, vor Augen gelegt hat), das Reitergefecht nach Lionardo da Vinci (nämlich die vier kämpfenden Ritter nach dem leider zerstücklen grossen Carton, welchen Lionardo für die Florentiner Signoria ausführte), das Selbstporträt Philipps de Champagne (ein Stich voll ebensoviel Weichheit als Kraft, welchen Edelink selbst für sein Meisterstück erklärte), der von Engeln umgebene Christus am Kreuze oach Charles Lebrun (le Christ aux anges in 2 Bl., welche das im Louvre befindliche edelste und glänzendste Malerwerk Lebruns wiedergeben), die Magdalene im Moment ihrer Bekehrung (nach Lebruns Altarbilde in der Karmelilerkirche zu Paris) und Alexander im Zelte des Darius (ein grosser zweiplattiger Stich, ebenfalls nach Lebrun). Das Dariuszelt, worin Edelink seine ganze Kuostfertigkeit entfaltete, gehört zu der Blätterreihe von den Thaten Alexanders, welche Audran so meisterhaft gestochen hat, und unterscheidet sich wesentlich von den Audranschen Blättern nach Lebrons Alexanderbildern. Edelink übernahm eben nur den Stieb der Zeltscene, wohl wissend, dass sein regelmässiger, gemessenerer Styl nicht so geeigoet sein möchte für die Hitze einer Schlacht, wo alles auf dem Sprunge und in Unordnung ist; denn wäre der Antwerpener Stecher dem Lyoneser zum Vergleich geniibergestellt worden und hätte er den Uebergang über den Granikus und die Niederlagen des Darius oder des Porus stechen müssen, so würde er zwar jedenfalls eine Leistung voll Verstand und Geschmack gebracht haben, aber dabei ohne den bier nothwendigen Nerv und ohne das für die leidenschaftlichen Darstellungsmomente erforderliche Feuer geblieben sein. So überliess der Künstler wohlweislich der kübnen Nadel seines Nebenbuhlers Gérard Audran die Gefechte, die Gemetzel und den Lärm des Triumfes, und wählte für sich das zugleich sanfte und strenge, rührende Schauspiel der Familie des Darius, welche vom Verhängniss niedergebeugt als der schwächere Theil sich zu den Füssen des grossmüthigen Siegers niederwarf, der es auf sich nahm, sie in ibrem Zelte selbst zu besuchen und zu ermuthigen. Wenn sich aber der Antwerpener in einer Gattung von Darstellungen, auch wohl an reicher malerischer Freiheit und wohlerwogener Flüchtigkeit des Machwerks, den Lyoneser nacbstehend fühlte, so blieb Ersterer doch oberster Meister in jeder andern mehr für nahe Betrachtung geschaffenen Gattung, wo die grössten Maler selbst die Verschmelzung an die Stelle der Freiheit des Pinsels setzten und unleugbar bis in die kleinsten Partien ganz der Natur folgten. Hier triumfirte der Grabstichel und hier wandte Edelink seine ganze künstlerische Sorgsamkeit und edle Bestimmtheit des lostruments an, wodurch seine Blätter eine Augenweide für die Kenner des Faches geworden sind. Nicht genug rühmen kann man seine Magdalepa nach Lebrun, welche abgesehn von einigen Mängeln innerhalb des Umfangs des Kopfes ') und einiger Sorglosigkeit im entferntern Hintergrupde, ein Muster von bewundernswürdigem Fleisse und von malerischen und kupferstecherischen Schönheiten ist. Die Gewänder der Heiligen sind so, dass sie in keinem andern Style des Stichs ein solches Resultat gegeben haben würden. In der Nähe gesehn ist das Blatt höchst fleissig und geschmackvoll gestochen, weiter entfernt scheint es mit markigem Pinsel und wunderbar leicht gemalt zu sein. Die Schattirungsanlage ist hier mehr denn anderswo vortrefflich verstanden. Das allermeist befriedigende Werk jedoch, das Lieblingsblatt Edelinks selbst, ist das Bildniss des Philipp Champagne, von welchem der spätere grosse Stecher Longhi erklärte, dass er, so lange er lebe, nicht aufhören werde, dieses Blatt immer und immer wieder mit neuer Bewunderung zu betrachten. Dieser in doppelter Bedeutung so zu nennende Hauptstich, in welchem Alles Verstand und Wahrheit ist, legt das Zeugniss ab, dass Edelink ein gleich grosser Maler wie Kupferstecher war. Wer den Kopf in natürlicher Grösse kopiren wollte, hätte in Hinsicht der verschiedenen Fernungen und Nebendinge nichts hinzuzufügen, so naturgemäss findet man den Knochenbau, die Haut, das Felte. Die Augen sind lebhaft und sehen, die Lippen blutdurchscheinend, das Kinn mit einem seit etlichen Tagen nicht rasirten Barte bedeckt, was auf die einfachste Weise ausgedrückt ist; die Haare wachsen gut aus der Stirn hervor, schön an den Schläfen; sie breiten sich in schönen Massen aus, abwechselnd in Wellen herabfallend, hie und da sanft spielend, sich ablösend, sich vereinzelnd und leicht zwischen den Massen selbst oder in den Grund sich verlierend. Bei dieser über allen Glauben schwer auszuführenden Aufgabe bat Edeliok Alle überragt, die in derartigen Leistungen sich auszeichneten. Obwohl er nun in manchen ähnlichen von ihm gelösten Aufgaben auch öfter übertroffen worden und überhaupt ip manchen Stücken zu besiegen ist, so bleibt ihm trotzdem der höchste Rang, der eines Fürsten der Stechkunst, gesichert. Es ist nur zu

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diesen sind bemerkenswerth : Graf Darnley in ganzer Figur; die sechzebnjährige Maria von Schottland (Kniestück in Lebensgrösse) und ein herrliches kleines, etwa anderthalb Fuss hohes Bild dieser Königin (ebenfalls Kniestück). Dies Bildniss, vielleicht von Holbein oder einem seiner Schüler, zeigt regelmässige Züge, die nicht im Geringsten elwas Romantisches haben; ja es liegt in ihnen ein gewisser kalter Ernst, den man pur der Elisabeth hätte zutrauen sollen. Die Zimmer der Königin Maria sind noch ganz so erhalten, wie sie waren, als sie von ihr bewohnt wurden; da sieht man ihr Pracht-Schlafzimmer, ihr gewöhnliches Schlafgemach, in welchem auf dem sehr allläglich aussehenden Himmelbett eine grobe wollene Decke mit eingewebter Königskrone liegt, sowie auch das Kabinet, wo die Königin mit Rizzio sass, als die Verschwornen eindrangen. Die geheime mit einem Vorhange bedeckte Thür, durch welche sie eintraten, wird ebenfalls gezeigt. In einem Nebenzimmer sieht man Darnley's ungeheure Stiefeln, Degengehäng und Rüstung. Hiernach zu urtheilen, muss Darnley ein kolossaler Mann gewesen sein. Das nächste grössere alte Gebäude ist das Kastell, welches auf einem östlich schräg ablaufenden, westlich aber senkrecht abgeschnittenen, etwa 300 Fuss hohen Felsen liegt. Unter den Kirchen der Altstadt stellt sich die Metropolitankirche, die dem St. Giles (dem heiligen Aegidius, Schutzbeiligen von Edinburgh) geweiht ist, als die älteste heraus. Trotz ibrer Grösse - sie ist über 200 Fuss lang und 110 breit macht sie einen weit geringeren Eindruck auf den Beschauer, als manche kleinere Kirchen in England, da sie theils aus wehren verschiedenarligen Anbauen zusammengesetzt, theils von Bürgerhäusern aller Art umgeben ist. Ihr hoher Thurm ist der Hauptkirche von Newcastle auffallend ähnlich, nur ist er weniger luftig und kühn. Auf dem Platze, an welchem die Kirche steht, ist eine schöne erzene Reiterstatue Karls des Zweiten aufgestellt. — Eine zweile grössere Kirche ist die an der Ecke der Highstreet und Northbridge slebende TronChurch, eine um Mitte des 17. Jahrb. im neuern gothischen Style erbaute Hilfskirche. Von der allen und neuen Greyfriars-Kirche, welche im Grossmarket lag und 1845 vom Feuer verzehrt ward, datirte ein Theil von 1612, der andere von 1719. In dieser Kirche versammelte sich der Covenant und war ein Stuhl, dessen sich noch der scholtische Reformator John Knox bedient hatte. Beide abgebrannte Kirchen befanden sich, wie dies in Schottland nicht selten der Fall ist, unter Einem Dache und waren nur durch eine starke Brandmauer getrennt. — Nächst den Kirchen ist das alte Parlamentshaus mit seiner herrlichen Gerichtsballe zu nennen. Diese ist, nach Art aller grossen Gemächer aus älterer Zeit, mit einem künstlich verzierlen, gewölbten Balkendache versehen, 122 Fuss lang und 39 breit, und kann vermöge ihrer Schönheit nur mit den prächtigen Räumen dieser Art auf den englischen Universitäten verglichen werden. Zu grosser Zierde gereicht ihr die in einer Nische angebrachte lebensgrosse Marmorstatue des Präsidenten Duncan Forbes, welcher hier, wie Lord Mansfeld in der Westminsterabtei, in sitzender Stellung dargestellt ist. Dies Steingebild ging aus der Hand Roubillia c's hervor. Sodann ist zu erwähnen das grosse Heriots-Hospital, das seinen Namen von dem patriotischen Goldschmiede George Heriot führt, der es im J. 1650 gestiftet hat. Dem Aeussern nach zo sebliessen, dürfte man es eher für eine Ritterburg denn für eine milde Suistung hallen. Die Stirnseite prangt nicht allein mit zwei grossen quadratischen, auf den vier Ecken wieder mit Thürmchen geschmückten Thürmen, sondern es erhebt sich auch über dem grossen Eingangsthore ein stattlicher, in domartige Spitze auslaufender Thurm. Dieses nach dem Plane des berühmten Inigo Jones aufgeführte und zur Aufnahme verwaister Bürgerkinder bestimmte Gebäude enthält auch eine Kapelle, die sich als ein ziemlich schmaler, länglich viereckiger Saal mit hohen gothischen Fenstern darstellt. Vor dem milllern breiten Bogenfenster steht die Kanzel, zu der eine Doppeltreppe hinaufführt; an den beiden schmälern Seiten sind Chöre angebracht, welche auf Säulen ruhen. Unter den jüngern Bauwerken der Altstadt beansprucht das Universitätsgebäude den ersten Rang. Es ward nach dem Plane des durch seine vielen grossen in England ausgeführten Bauten sowie durch seine Schriften bekannten Architekten Rob. Adams im J. 1789 zu bauen begonnen, aber erst nach Dezennien vollendet. Die Fronte geht von Norden nach Süden, gegen die Soulbridge hin, ist 358 Fuss lang und hat eine Tiefe von 255 Fuss. Es hat zwölf Fenster, ungerechoet das grosse Bogenfenster und die kleinern daneben, welche sich la dem Vorsprunge befinden, der mit einem Portikus von sechs Säulen geziert ist. Ein stalliches Gebäude ist die Bank von Schottland, welche um 1797 mit einem Aufwande von 75,000 PP. St, arr. Rande des Northlochs erbaut wurde; freilich eine für den Kostenpunkt unglückliche Wahl des Ortes, welche ungeheure Unterbaue nöthig machte. Die Hinterseite, welche man von der Princes-Street sehen kann, nimmt sich sehr imposant aus, weniger die Vorderseite, zu der man durch eine enge Gasse von dem sogen. Lawnmarket (hellen Markt) gelangt. Schwerfälliger als das Bankgebäude ist die Börse, welche drei Seiten eines Vierecks bildet, dessen vierte Seite (nach der Strasse hin) eine bedeckte Gallerie und sechs kleinere nebst einen mittleren grossen bogenförmigen Eingang hat. Der Hof innerhalb des Vierecks ist die Versammlungsstälte der Kaufleute. Ein einfaches aber sehr gefällig aussehendes Gebäude ist das der hohen Schule, welches durch einen ganz simpeln Portikus von vier Säulen sich sogleich als ein öffentliches Gebäude ankündigt. — In der schönen, an Bau und Anordnung gänzlich von der Altstadt verschiedenen Neustadt durchschneiden sich breite geräumige und reinliche Strassen in rechten Winkeln; auch verschöpern diesen Theil Edinburghs mehre grosse Plätze, St. Andrews-Square, der WaterJoo- und der Morayplatz. Die Mittellinie der ganzen Neustadt wird von der GeorgsStreet gebildel, welche 115 Fuss breit und ungefähr 3000 Fuss lang ist. Die Strasse am Rande der Schlucht, wo ein zierliches Eisengeländer hinläuft, hat über 4000 F. Länge bei 100 F. Breite. Zu den vorzüglichsten Gebäuden der Neustadt gehört die nach der Londner Paulskirche in verkleinertem Maasstabe gebaute St. GeorgsChurch, die ihren äussern Eindruck um so weniger verfehlt, da sie am Ende einer langen Strasse und an einem Platze steht, der von den schönsten, aus Quadern erbauten Privathäusern Edinburghs umgeben ist. Das Innere ist nicht minder ansprechend und hat eine gewisse einfache Grösse, die nur durch den Mangel der in allen puritanischen Kirchen fehlenden Orgel sehr beeinträchtigt wird. Auch die St. Aodrews-Church (auf der Nordseite der St. Georgenstrasse, unweit des Andreasplatzes) kann noch als leidlicher Kirchenbau im Erwähnung kommen; wenigstens macht sie sich durch ihren viersäuligen Portikus und ihren hohen Thurm nicht ungefällig. Weit bedeutsamer als die Kirchen stellt sich aber ein öffentliches Profangebäude heraus: das prächtige Register-office (Schottlands Staatsarchiv), dessen schöne Lage, dem nördlichen Ende der Northbridge genüber, am Anfange der Princes-Street, mit seiner edelo Bauart zusammentrifli, um es zu einem der herrlichsten Denkmäler der Architektur zu machen. Die Hauptseite hat 20 Fuss Långe; aus der Milte tritt ein dreisenstriger Vorsprung, hinter dem sich eine hohe Kuppel erhebt, hervor, während an den beiden Enden über grossen sogen, venezianischen Fenstern sich kleine mit Kuppeln gezierte Thürme erleben. Das Corps de Logis hat auf jeder Seite vier Fenster. Eine schöne doppelte gewundene Freilreppe führt innerhalb einer gemauerten Einfriedigung, welche um deu Vorhof läuft, zu dem Milteleingange hinauf. Das Gebäude ward im J. 1774 durch Robert Adams erbaut, und zwar mit einem Aufwande von 40,000 Pr. St. Der mittlere runde, mit der erwähnten Kuppel überwölbte, von oben beleuchtete Saal geht durch beide Stockwerke; um das obere führt eine Gallerie, auf welcher, wie in allen daran grenzenden Zimmern, Schränke stehen, in welchen die Akten der scholtischen Reicbsangelegenheiten, sämmtlich in Bände zusammengebunden, aufgestellt sind. In dem Prachtzimmer des Lord-Register (des ersten Archivars des Reichs) zeigt man die Original-Akte der Vereinigung EngJands und Schottlands, die von der Königin unterzeichnet und mit den ausgemalten Wappen sowie mit den Unterschriften der ersten schottischen Grossen versehen ist.

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Die Kapelle, im Grundriss ein Rechteck, anderthalb mal so lang als breit, bildet zwei Geschosse, das untere zur Hälfte unter der Erde; von der Thür geht jetzt eine Nothtreppe hinab. Auswendig unterscheiden sich die Geschosse nur durch die übereinanderstehenden Fenster und einige Kragsteine, welche, wie auch längs der

Mauern des Schlosses, die Stockwerke abschneiden, damit die Wölbungen auf denselben ruhlen; und so zeigen sie auch bei der Kapelle die Verbindung des oberen Geschosses derselben mit dem oberen des Schlosses an, wo auch noch die Thür, an der Westseite der oberen Kapelle, demselben entspricht, die jetzt ohne Zweck ist. Sonst sieht man von Aussen auf den langen Seiten drei, auf den kurzen zwei aus Steinen gehauene frippenartige Pfeiler, ausser den Eekpfeilern, welche, von der Erde bis an das Dach gehend, sich dort mit dem ganz gleichartigen Gesimse verbinden. Die Zwischenräume der Wände sind von einem schieferartigen Steine gemauert.

Beide Kapellen sind inwendig im Wesentlichen übereinstimmend; die Hauptabtheilung einer jeden liegt gegen West, 30 Fuss im Geviert, auf vier Säulen ruhend, die untern mächtig mit starken kelchartigen Knäufen, deren zwei an jeder Ecke mit Köpfen verziert, einer, mit Bändern und Blumen, der vierte mit einem einfachen Halbkreise an jeder Seite. Die Säulenfüsse sind attisch mit Eckwarzen, die Gewölbe sich durchschneidende Rundbogen. Gegen Ost führt eine grosse mit mehren Eckpfeilern versehene Thür in die um drei Stufen her gelegene Altarabtheilung, mit sich durchkreuzenden Rundbogen. Auf jeder Seite ist noch eine kleine Kammer, mit einem Tonnengewölbe. Der Raum zwischen den vier Säulen ist nicht gewölbt, sondern gerad in die Höhe geschnitten, sich in die obere Kapelle öffnend, jedoch nachdem sich das leere Viereck durch in die Ecken eingesetzte unterstützende Halbkreise in ein Achteck verwandelt; früher war oben eine Brüstung.

Durch eine zierliche grade Seitentreppe der Hauptabtheilung gelangt man in die obere Kapelle. So wie unten Alles in kräftig gedrungenem, jedoch freien Style dem Unterstützenden entsprach, so ist oben Alles leicht in die Höhe strebend. Ebenfalls vier

Säulen, um das Achteck der Brüstung (Ansicht der untern und obern Burg

herum, über den unteren Säulen stekapelle, in der Richtung gegen das

hend; ihnen entsprechen an den WänHeiligste auf der Ostseite.)

den ähnliche Halbsäulen, die erstern von Marmor, zwei rund, zwei achteckig. Die Verbindung ist überall in spitzbogigen Rippen (unten sind gar keine Rippen) und in der Mitte vereinen sich dazwischen die Eckrippen zu spitzen Kreuzgewölben. Die Kappen sind wieder von den schieferartigen kleinen Steinen. Die Säulenfüsse sind attisch mit Eckwarzen, und an den Wänden herumgehend bilden sie den Fuss derselben. Der untern rundbogigen entspricht hier eine grosse gegliederte Spitzbogenthür und zeigt die Nebenkammer des Altars, rechts jedoch ohne Zwischenwand, sondern es findet sich hier eine den vorderen entsprechende runde Säule, deren Schaft mit zikzakartigen Reifen von unten bis oben geziert. Aber über ihr sind nach beiden Seiten Rundbogen, hingegen die Seitenkapelle selbst in spitzen Kreuzgewölben. Eine Wendeltreppe führt an der andern Seite auf das Dach und halbweges in ein kleines Gemach mit Tonnengewölbe, in dessen Ecke zwei kleine Halbsäulen, von allen andern ganz verschieden und mehr den äusseren Rippen entsprechend, einen im Viertelkreis hervortretenden flachen Bogen tragen, welcher den offenen Theil einer Rundung bezeichnet, die sich im Dache öffnet, ohne Zweifel ein Kamin der Sakristei, obgleich die Sage geht, dass Seni hier seine Sterne heobachtet, und zwar durch das jetzt eingerissene Fenster. Sämmtliche Fenster der Nord- und Südseite sind hochliegende kleine Rundbogenfenster mit starker innerer Verjüngung, so dass sie eine nur schmale Lichtöffnung lassen ; gegen West, unten ein Kreisfenster, ebenfalls mit sehr starker Verjüngung; oben, mit dem Fussboden gleich, eine Rundbogenthür, darüber ein Kreisfenster, mit steinernem Fensterkreuze. Gegen Ost in den Seitenkapellen ist unten ein offenbar später eingesetztes grosses Spitzbogenfenster, oben ein ans sechs Kreisstücken zusammengesetztes, sich stark verjüngendes. Sehr merkwürdig ist der eine Knauf der oberen Hauptkapelle, an dessen Ecken zwei männliche und zwei weibliche Zwergfiguren, deren widrige und unzüchtige Gestalt an den ägyptischen Phtha erinnert, und die Sage ihres heidnischen Ursprungs veranlasst, als wären sie Ueberbleibsel eines römischen Priapentempels, wozu die Meinung beiträgt, dass der oben erwähnte ,,schwarze Thurm“ ein Römerwerk sei.

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Egesta in Siellien, das alte Aegeste oder Segeste, llegt mit seinen merkwürdigen Trümmern neun Miglien von Alcamo, von welchem an der Strasse zwischen Palermo und Trapani gelegnen Städtchen aus man auf Saumthieren nach der berühmten Ruinenstätte hinreitet. Egesta hat seinen Namen von dem reisigen Heros Egestes von Troja, der auch auf segestanischen Münzen abgebildet erscheint. Noch der jüngere Scipio Africanus und Cicero konnten von dem Glanze der alten grossgriechischen Stadt sprechen. Interessante Ueberbleibsel sind vornehmlich die Ruinen einer dorischen Basilika von ungewissem Ursprunge. Man hält sie gewöhnlich für einen Venustempel; da indess gar keine Spur einer Cella vorhanden, so ist nicht auf einen Tempel zu schliessen. Der Bau erhebt sich auf drei kolossalen Stufen mit zwei Fronten, je zu sechs Säulen von sechs Fuss Durchmesser und dreissig Fuss Höhe, mit Gjebeln god mit zwei Seiten von je zwölf Säulen. Das Ganze 182 F. lang, 68 F. br. Andre geben 190 X 77 F. an. Die Säulen sind nicht cannelirt. (Vergl. Wilkins ch. 5. GärtDers Ansichten der Monumente Siciliens. Hittorf pl. 2 - 6.) Ferner sind zu bemerken die Reste eines an Felsen angebauten Thealers und darüber die Trümmer einer Burg, von wo man eine belohnende Aussicht auf den Monte Erice oder San Giuliano (den Eryx der Alten) und auf das Meer hat. Zwei Miglien weiter trifft man die schon den Alten bekannten Schwefelquellen (Aquae Segestanae).

E88, A., ein zu London lebender Genremaler, der durch manche Leistungen bereits Beliebtheit im Publikum sich erworben hat. Eins seiner besten Bilder war die 1844 in den Sälen der Londoner Akademie ausgestellte Episode aus dem lahtmen Teufel des Lesage. Dieses Stück stellt die in genannte Dichtung erzählender Weise eingeflochtene Scene dar, wie der Teufel seinen Zögling über die Dächer führt und ihm zeigt, was innerhalb der Häuser vorgeht. Da siehl er denn unter Anderm einen jungen Mann mit zwei leichtfertigen Dirnen in einem Speisehaus sitzen ; sie haben sich's wohlsein lassen, allein die Rechnung, welche der Wirth dem generösen Liebhaber einhändigl, verdirbt diesem jeden Nachgenuss ; er greift erstaunt und verlegen in die Tasche, während der Wirth mit pfiffiger Unschuld seine Recht-, schaffenheit und die seiner Rechnung darthut und die Mädchen mit gleicher Gewandtheit die unversehrten Reste des Mahles auf die Seite und in ihre Taschen bringen. Dies Bild, von heiterstem Humor ersonnen, ist durchaus lebendig und wahr in der Darstellung, ganz bezeichnend und fein im Ausdruck und von milder harmonischer Färbung. Tracht und Stoffe aus dem vorigen Jahrhundert sind mit vielem Geschick und Geschmack behandelt. Die Ausführung ist leicht und angenehm, doch der Farbenauftrag etwas trocken.

Eggers, Karl, ein ans Neustrelitz gebürtiger Geschichtsmaler, der um 1811 unter Matthäi zu Dresden seine erste Kunstbildung empfing, seine höhere Ausbildung aber später in Italien fand. Zu Rom verband er sich mit Philipp Veit aus Frankfurt, mit dem er im Vatikan Mehres al fresco ausführte. Seine Schöpfung ist z. B. das Wandgemälde der personificirten Roma, vor welcher Münzen ausgeschüttet werden. (Dies Bild dient zur Erinnerung an die Bereicherung der vatikanischen Bibliothek mit einer Münzsammlung.) Namhafter sind jedoch seine Leistungen in der Oelmalerei; hier hat er sich als einen meisterhaften Techpiker bewährt, der sich namentlich auf alle Reize der Färbung versteht und besonders im Fleischkolorit und in der Gewandmalerei hervorlbut. Ausgezeichnete Bilder von Eggers Hand sind die Mater dolorosa und eine auf dem Bett liegende Weibsfigur nach Art der schlafenden Venus von Tizian (beide Gemälde aus dem J. 1819), ein reizender, zart ausgeführter Amor im Begrif den Pfeil aus dem Köcher zu ziehen (aus dem J. 1823), Christus bei Maria und Martha (ein grosses Bild von ungemein kräftiger Malerei und fleissigster Ausführung), die Fusswasehung des Herrn (ein ebenfalls sehr tüchtiges Bild, das man als Altarblalt im Naumburger Dome findet), mehre Brustbilder von Heiligen, z. B. St. Christina (bekannt durch die Lithographie von G. Hennig) etc. Sehr namhaft ist Eggers auch als trefflicher Kopirer berühmter oder schätzbarer Werke italischer Meister. So kennt man von ihm z. B. ein schönes Nachbild der Madonna del Garofano.

Eggert, Franz Xaver, geb. 1802 zu Hochstädt an der Donau, der Sohn eines Sattlermeisters, erlernte in Augsburg die Dekorationsmalerei und begab sich im J. 1824 nach München auf die Akademie, belhätigte seinen ersten Beruf noch bei Ausschmückung mehrer Münchner Bauten und ging dann im J. 1829 zur Glasmalerei über, welchem Fach er seitdem als angestellter Künstler in der kön. SchmelzmalereiAnstalt seine ganze rubmvolle Thätigkeit gewidmet hat. Er theilt mil Ainmüller, Hämmerl, Kirchmair und Wehrsdorfer das Verdienst, in wenigen Jahren die so vergessene, durch Frank erneuerte herrliche Kunst des Glasmalens wieder zu einer Vollkommenheit gebracht zu haben, welche die Schönheit der Glasgemälde aus dem 15. und 16. Jahrh. in mancher Beziehung erreicht, in anderer sogar übertrifft. Mit Kas

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par Böhm führte Eggert seit 1832 die gothischen Fensterverzierungen der neuen Aukirche nach der Erfindung und Zeichnung Ainmüllers so prächtig auf Glas aus, dass diese Arbeiten jeden Vergleich mit den derartigen bestmittelalterlichen auf das Siegreichste bestehen. (Bekannt ist Eggert auch als Herausgeber der sieben Chorfenster der Aukirche in trefflichen illumipirten Abbildungen von den Lithographen Unger und Herwegen.) Ebenso rühmlich ist seiner Betheiligung an den neuen Glasgemälden im Regensburger Dome zu gedenken.

Eggert, ein Danziger Künstler, führte im J. 1768 das stattliche Portal mit zwei Säulen und einer Doppeltreppe aus, welches als eine Zierde des sogen. neuen oder rechtsstädtischen Rathhauses zu Danzig betrachtet wird.

Eggestersteine, s. Egstersteine.

Egging, Jo h., gebürtig aus Kurland, bildete sich auf der Petersburger Akademie, besuchte um 1820 Italien und kehrte nach siebenjährigem Aufenthalte in Rom, wo er seine Durchbildung als Historienmaler vollendete, über Berlin nach Petersburg zurück. Mehre von ihm ungemein schön in kleinem Format ausgeführte Nachbilder berühmter italischer Meisterwerke, die in die erste Zeit seines römischen Aufenthalls fallen, gingen in den Besitz des russischen Kaisers über. In einem geistvoll zusammengestellten grossen Bilde, welches 1822 vollendet ward, stellte Egging die Bekehrung des heil. Wladimir dar; es war dies ein Werk, das gleich sehr vom Fleiss wie vom Feuer seines Pinsels zeugte. Hierauf schilderte er die im J. 1300 gegen die Skandinavier gelieferte Schlacht an der Newa, und in einem dritten grossen Gemälde des rückkehrenden Siegers Triumf in Plesgow. Im J. 1828 sah man zu Berlin, wo damals der Künstler auf seiner Rückkehr nach der Kaiserstadt einige Rast bielt, in Eggings Portefeuilles eine Menge Compositionen, unter welchen besonders die in Farben sorgfältig ausgeführte Skizze eines grossen Gemäldes gefiel. Sie betraf die Einführung des Christenthums in Russland durch Wladimir den Grossen, und empfahl sich durch malerische effektvolle Anordnung, wohlverstandene Beleuchtung, charakteristische Verschiedenheit der Gesichtszüge und sehr mannichfaltige reiche Trachten, wobei das prächtige Kostüm der griechischen Geistlichen und der russischen Grossfürsten, Knesen, Bojaren und Edelfrauen dem Künstler sehr zu Statten kam. Eine andre der grössern Compositionen bezog sich auf die Wiederherstellung Russlands durch den Tatarenbesieger Iwan Wasiljewitsch. Unter seinen spätern Gemälden macht sich die Darstellung bemerklich, welche die „Aufhebung der Leibeigenschaft durch den Kaiser Alexanders schildert.

Egginton, Francis, aus Birmingham, gestorben 1805, war ein gewandter Meister im Faché der Glasmalerei, der aber gleich seinen zeitgenössischen Fachgenossen das Wesen dieser Kunst verkannte und seinen Fenstergemälden dadurch schadete, dass er sie durchaus im Tone der Oelmalerei zu halten suchte. Er hinterliess zahlreiche Werke in Windsor, Oxford, Salisbury, Shrewsbury, zu St Asaph in Wales und anderwärts.

Egl, Andreas, ein altdeutscher Baumeister, der gegen Ende des 13. Jahrh. blühte. Ihm verdankt die Reichsstadt Regensburg die erste Anlage ihres berühmten im J. 1275 gegründeten Domes. Von ihm datiren wenigstens die untern Theile des Chores, an denen man noch eine strengere Behandlungsweise der germanischen Bauformen erkennt.

Egmont, Justus van, geb. zu Leyden 1602, gest. zu Antwerpen 1674, arbeitete in seiner Jugend viel in Frankreich und scheint auch Spanien besucht zu haben. Man hat Grund zu glauben, dass er aus Rubens Schule hervorgegangen. Hauptsächlich war er Bildnissmaler, doch hat er nach seiner ersten Rückkehr ins Vaterland auch Geschichtliches gemalt; wenigstens weiss man, dass er ein grosses für die Mechelner Metropolitankirche bestimmtes Abendmahl (das man durch den Hauptstich von B. A. Bolswert mit des Stechers Adresse kennt) für Rubens ausführte. Nach dem Tode des grossen Meisters ging Justus van Egmont wieder nach Frankreich und ward eins der zwölf ersten Mitglieder der im J. 1648 gegründeten Pariser Akademie. Die Wiener Gall. besitzt von ihm zwei Bildnisse Königs Philipp IV. von Spanien (ein Kniestück, den König in schwarzer Kleidung mit der Ordenskette des goldnen Vliesses darstellend, und ein Brustbild, das ihn jung, in goldgestickter Kleidung und ebenfalls mit der Vliesskette zeigt), ferner das Bildniss des in voller Rüstung, aber barhaupt dargestellten Erzherzogs Leopold Wilhelm, der seine Rechte auf den Befehlshaberstab stützt, seine Linke auf den Kopf eines Löwen legt und einen Adler mit dem Lorber im Schnabel zur Seite hat. Ein vorzügliches Stück von Justus van Egmont ist sodann in der gräfl. Schönbornschen Gall. zu Pommersfelden (im 7. Zimmer derselben) zu finden, nämlich das Bildniss eines Mannes mit seiner Frau in rother Kleidung.

Egstersteine in Westfalen. Zu den grössten Merkwürdigkeiten des Lippischen Waldgebirgs gehört die seltsame Felsengruppe der sogen. Egstersteine"). Diese Felsengruppe liegt eine Viertelstunde vom Lippischen Städtchen Horn entfernt am Ufer der Lichtheupte, eines Baches, über den die höchste Spitze des ersten Felsens 125 Fuss hoch emporragt. Die einzelnen Felsenmassen sind völlig von einander geschieden; durch die beiden letzten der fünf Felsen führt die Kunststrasse zwischen Horn und Paderborn; den zweiten und dritten verbindet oben eine eiserne Brücke. Diese wie nackte Grundsäulen der Erde, von welchen das umhüllende Erdgewand weggeschwemmt scheint, isolirt aufragenden Gefelse bestehen aus feinkörnigem, mit Eisenocher gemischten Sandsteio, woher sich ihre gelblich-graue Färbung erklärt. Auf dem vierten Felsen hängt ein jeden Augenblick niederzustürzen drohender Stein, welcher laut der Volkssage einst eine Lippische Gräfin zerschmettern wird. Die drei ersten gewähren von ihrer Höhe eine weitgedehnte herrliche Aussicht über das ganze anmuthige Land, über die Gebirgszüge vom Köterberge in der Nähe der Weser bis zu den Höhen im Osnabrückischen. Im Innern des ersten und zweiten Felsens sind kleine Hallen oder Kapellen ausgehauen, dort unten, hier oben unter dem Gipfel. Am ersten Felsen ist ausserdem in sehr alter Arbeit unten, nach aussen hin, eine Kreuzabnahme in Hautrelief angebracht. Die Darstellung ist ziemlich wohl erhalten, wenn auch hie und da von Menschenhand verstümmelt; zu beiden Seiten des Bildwerkes führen Oeffnungen in das Innere; an der linken Seite der Oeffnung links ist noch ein Bild des heil. Petrus in Basrelief ausgehauen, aber bis zur Unkenntlichkeit verwittert. In Clostermeiers Beschreibung wird soviel für gewiss angegeben, dass die Felsen von einer edlen Familie des 11. Jahrh. an das Kloster Abdinghof in Paderborn verkauft worden seien und dass dieses sie zu einer Stätte christlicher Andacht hergerichtet habe, vielleicht um einen Wallfahrtsort daraus zu schaffen. Zu dem Ende scheinen nun die Kapellen im ersten und zweiten Felsen ausgehauen worden zu sein; doch mochte der Hauptgottesdienst unter freiem Himmel gehalten werden, so dass die Steinbauerarbeit am ersten Felsen als Altarbild diente und unter ihr der Altar errichtet war. Das Bildhauerwerk umfasst eigentlich zwei horizontal geschiedene Felder, deren oberes und besser erhaltenes die Abnehmung vom Kreuze vorstellt, während das untere kaum noch erkennbare den Sündenfall der ersten Aeltern enthält. Der Baum der Erkenntniss, um den sich die gewaltige Schlange unten in vielen Verschlingungen windet, bildet auf dem obern Bilde den Stamm des Kreuzes, um symbolisch die Verbindung zwischen Sündenfall und Kreuzestod anzudeuten. Die Figuren sind freilich von schlechter Zeichnung und unnatürlich lang und hager, aber die Formen sind kräftig behandelt und scharf hervorgehoben; auch kündigt sich einige Kenntniss der Perspektive an. Dieses für die deutsche Kunstgeschichte bedeutungsvolle Denkmal wird uns in dem Werkchen: ,,der Egsterstein in Westfalen“ (Weimar 1846) in einer von dem Bildhauer Ernst Bandel gefertigten zuverlässigen und deutlichen Zeichnung mit Erläuterungen und Bemerkungen des in deutschem Alterthum wohlbewanderten Sprachforschers H. F. Massmann argeboten und damit eine durchaus genügende An- und Einsicht des alten Egstersteines möglich gemacht. Die Vignette des Titelblattes gibt uns einen Ueberblick der Oertlichkeit, wie das grosse in den Fels gehauene Basrelief zwischen den verschiedenen Eingängen und Zerklüftungen des Felsens steht; die Grundrisse S. 15 und 17 zeigen uns Lage und Verhältnisse der Kapellen im Innern des Felsens, und S. 14 ist auch die grosse Gestalt des heil. Petrus im Umriss skizzirt, die sich zur Linken des Basreliefs in Stein gehauen vorfindet. In seiner Darstellung hat Massmann die Literatur über die Egstersteine sehr ausfübrlich und mit berichtigender Kritik gewürdigt und binsichllich der Erklärung des Gegenstands, wie bezüglich der verschiedenen Zeitbestimmungen und geschichtlichen Verhältnisse die Untersuchung so gut wie geschlossen.

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Unter den Compositionen der Art von oberdeutschen Künstlern beben sich hervor: das schöne 3 Z. 1 L. hohe, 2 Z. 3 L. breite Blättchen von Georg Pencz mit dem Zeichen dieses altdeutschen Malers und Stechers, und der vortreffliche Entwurf von Peter Cornelius zu einem Wandgemälde des künftigen Berliner Camposanto, wo dieser Meister die christliche Lehre von der Vergebung der Sünde anschaulich macht durch das Bild der Sünderin, für welche der Heiland jenes mildeste Urtel spricht, weil keiner da ist, der nicht gleichfalls Vergebung bedürfte! – Endlich bleiben als französische Darstellungen zu nennen: das Bild von Nic. Poussin im Musée royal zu Paris, und ein andres von Nicolas Colombel, welches durch Claude Duflos d. Ae. im J. 1711 als Gegenstück zu M. Dossiers Mahl beim Farisäer gestochen worden ist.

Ehegöttin ist die Hera der Hellenen, die Juno der Römer, welche als solche bei den Letztern die Beinamen Pronuba und Domiduca führt, diesen insofern sie die Braut geleitet, die in das Haus des Bräutigams geführt wird. (Auch der Juno Gemahl, Jupiter, heisst aus gleichem Grunde ein Domiducus.) - Zwei Dinge nennt Horaz als die wirksamsten Mittel zur Entwilderung der rohen Menschheit, Trengung des Heiligen vom Profanen und Stiftung der Ehe. Nur durch heilige Scheu und starksinnliche Eindrücke konnte der Instinkt gebändigt und die Grundveste alles Völkerwohls, die einfache Ehe (Monogamie) gestiftet werden. Götter stellten durch ihre eigene Vermählung den sinnlichen Anbetern am Lebendigsten die Weihe der Ehe dar (Jupiter und Juno). Götter heiligen und schützen mit dem Ackerbau auch die Ehe; man denke an die Ceres Legifera, die Demeter Thesmophoros der Hellenen. Auf beiden Wegen wird die Ehe selbst bei den sogen. Heiden ein Sakrament. Aber auch in beiderlei Rücksicht ist die Herrin Juno Stifterin und Vorsteherin der Eben, einmal von Samos aus die weihende (Teleia), dann aber von Athen aus die bindende Göttin (Zygia, Juga). Vermuthlich kam die Sage vom Vermählungsfeste des Zeus mit der Hera von Kreta her über Karien und die ionische Küste pach Samos, wo sich nun die bisher jungfräuliche Mondkönigin in die vermählte Himmelskönigin verwandelte. Priester und Dichter schmückten Brautbewerbung und Vermählung in eine heilige Hochzeitfabel aus, die in verschiedenen Gegenden GriechenJands durch mimische Feste verherrlicht, aber auch bei den Hochzeitgebräuchen der Griechen zum Vorbilde genommen ward. Eben darin lag die Weihe der Ehe, wie sie von der Samischen Hera, der Ehemutter (Pronuba) ausging, dass die zu Vermählenden in sich selbst gleichsam den Zeus und die Hera darstellten, und Alles so machten, wie es einst dies erhabenste Götterpar bei seiner Hochzeit gemacht haben sollte. (In mehren griechischen Kolonieenstaaten, zumal im sogenannten Grossgriechenland, scheint die Vermählung der schönen Kretenserin Ariadne mit dem Dionysos oder Bacchus an die Stelle der Heirath des Zeus getreten zu sein, und da man auch hier wieder Alles mimisch darstellte, so wurden die Dionysien oder Bacchanalien wirkliche Brautfeste.) Die Sage von der heiligen Hochzeit des Zeus und der Hera lässt sich nur noch aus halb verschollenen Anklängen errathen, die man in den griechischen Scholien zum Theokrit als Fragment aus einer verloren gegangnen Schrift des Aristoteles findet. Daraus erfährt man denn Folgendes. Die Juno ging als Jungfer gern allein spaziren. Da erregte Zeus aus Kreta, der schon lange (man spricht von einer dreihundertjährigen Liebschaft) vergebens um sie gefreit hatte, plötzlich einen heftigen Sturm mit einem gewaltigen Platzregen, und setzte sich, in einen Guckguck verwandelt, auf den Berg Thronax, welchem der Pron genüberlag, auf dem die Jungfrau Juno einen Tempel hatte. Also setzte sich der zum Guckguck gewordene Gott der schönen Göttin, die auf Bergesspitze sass, genüber. Ihr, die in Gedanken versunken und das Unwelter nicht achtend da droben sitzt, nähert sich der Guckguck, der sie muthwillig umflaltert; sie aber empfindet Mitleid mit dem armen durchnässten Vogel und erwärmt ihn streichelnd an ihrer Brust. Zeus zeigt sich nun in seiner wahren Gestalt und beschwichtigt alle Zweifel der Göttin, die ihre Mutter fürchtet, durch das feierliche Ehegelöbniss. Der Berg bekam davon den Namen Guckgucksberg (worauf auch der Spötter Aristophanes in seinem Lustspiel ,,die Vögel“ anspielt, nämlich durch die für die Vögel erbaute ,,Nephelokokkygia“, die unser Schalk Wieland durch „Wolkenguckgucksheim“ übersetzt hat) und der Guckguck selbst kam auf das Scepter der Juno, sogar in dem erhabenen Bilde, welches der Meister Polyklet im Heräum (Junotempel) zu Argos ausstellte. Gewiss waren auch Kunstdenkmale vorhanden, die jene berühmte Hochzeit darstellten. Gewissermaasen sind alle Statuen der entschleierten Samischen Juno hieher zu rechnen, die wir auf Münzen erblicken und wovon eine noch spät mit den pomphaften Namen der Bildhauer BupaJus und Lysippus im Lausischen Palaste zn Konstantinopel zu sehen war. Unstreitig ist auch das kolossale Marmorbild des Praxiteles zu Platää, welches die Hera Teleia (die weihende Juno, die Vorsteherin der Hochzeitweihe) vorstellte, hieher zu rechnen. Die schöne Stelle in Aristophanes Vögeln (Vers 1735 — 39), wo Zeus die Hera auf dem Brautwagen führt und Eros mit goldenen Flügeln als Wagenlenker und Brautführer die Rosse zügelt, war auch ein des Parrhasios oder Aetion würdiger Gegenstand und ist vielleicht wirklich in Bildwerken vorhanden gewesen. Es konnte indess nicht fehlen, dass der ausgelassene Muthwille, der im parodirenden Lustspiel sich die Freiheit nabm, diese heilige Hochzeit zur Farçe zu machen, nicht auch in die bildenden Künste übergegangen wäre. Die höchste Licenz verrätht ein im Tempel der Göttin zu Samos aufgestelltes Gemälde, wovon der alles physisch ausdeutende Philosoph Chrysipp die derbste Auslegung machen konnte. Eine grosse Rolle bei dieser Hochzeit spielte der Granatapfel. Im Tempel des Jupiter Casius bei Pelusium (der mit dem Jupiter Cassius oder Carius auf der Insel Corcyra und bei Seleukia in Syrien nicht zu verwechseln ist) stand der jugendliche Bräutigam Zeus einen Granatapfel darbietend. Hierin lag eine mythische Deutung. Es kam nämlich in der Hochzeitweihe die alte Sage vor, Jupiler habe der bräulichen Juno einen solchen Apfel zu kosten gegeben. Dadurch ward diese Frucht das Symbol der BrantDaeht überhaupt. Man vermied es und konnte es leicht vermeiden, den mystischen Sinn klar auszusprechen, denn in ganz Asien galt (und gilt noch) der Granatapfel wegen der Menge seiner Kerne als ein Zeichen grosser Fruchtbarkeit. Mit diesem steht eine andre Fabel in Verbindung, nach welcher die Erde, als alle Götter der neuvermählten Juno Geschenke brachten, goldene A epfel schenkte, die dann Juno in ihren hesperidischen Garten pflanzte und von dem Drachen Ladon solange bewachen liess, bis dieser vom Herkules gelödet und die Aepfel von ihm entführt wurden. Mag pun die Deutung dieser Hesperidenäpfel blos botanisch sein, wenn die Orangen, die aus Phönizien nach den griechischen Ioseln kamen, goldene Aepfel sind, wie Millin glaubt (s. Peintures des vases antiques T. I. p. 5.), oder auf den phönizischen Handelsverkehr überhaupt sich beziehen, so bleibt doch soviel gewiss, dass die Darreichung des Apfels in der ganzen alten Symbolik stets als eine Liebeserklärung galt (daber die Fabel vom Apfelwurfe der Eris, vom Apfel der Atalapta, vom Apfel des Acontius in Ovids 20. Heroide etc.) und dass es auch später zu den Hochzeitgebräuchen gehörte, der Braut einen Apfel darzubieten. Deutlich ist derselbe (il pomo di zizza nennen ihn die Sicilianer) in dem von Bartoli in den Admirandis Rom. Nr. 55 abgebildeten Relief der Hochzeit Kreusa's init Jason zu sehen, das auch Montfaucon in der Antiquité expliquée T.1. pl. 40. hat nachstechen Jassen. Vergl. Tischbeins Engravings T. 11. pl. 35. Da hält ihn die sitzende Kreusa, der die Brautgeschenke gebracht werden, in der Hand. Bartoli und Montfaucon haben, von diesem Apfel irregeführt, eine Proserpina angenommen. Sowie der Granatapfel mit seiner mystischen Deutung auch später noch bei den Hochzeitgebräuchen figurirte, so wurden gewiss von jener mimischen Darstellung des ersten ,,Telos“, der Vermählung des Zeus mit der Hera, eine Menge anderer Hochzeitgebräuche entlehnt und eben wegen dieser Aehnlichkeit hiess nun auch jede andre Vermählung ein Telos, eine Eheweihe. Freilich haben sich diese Bräuche in der Folge sehr vervielfältigt und verändert; indess lassen sich doch mehre Punkte hervorheben, aus denen erhellt, dass die ursprünglichen Bräuche nur mimische Wiederholung jener ersten Götterehe waren. Dahin ist erstlich zu rechnen, dass der eigentlichen Vollendung der Feier eine Prozession vorausging, wobei (auch wohl am Tage) Fackeln Forgetragen wurden. Die Prozession ward eröffnet durch Braut und Bräutigam auf einem Wagen mit zwei Pferden, wobei ein Jüngling mitfuhr, der die Pferde regierte und dann auch den Bräutigam bis zur Brautkammer begleitete. Dies Fahren ist durchaus heroisch im alten Götter- und Heldenstyl. Des Zeus Gemahlin fährt selbst zur Pracht immer auf ihrem Viergespann (lliade XIV. 298) und es steht sehr zu vermuthen, dass bei der mimischen Darstellung des „Hieros Gamos“ (der heiligen Vermählung) zu Samos und anderwärts Juno und Jupiter auch auf einem Viergespann, wo Eros den Wagenlenker und Bräutigamsführer machte, fahrend vorgestellt wurden. Demnach war dies nach der republikanischen Denkart in den hellenischen Freistaaten sonst ganz unstatthafte, einzig den Göttern und Siegern erlaubte Fabren nur durch die Anspielung auf die göttliche Hochzeit geheiligt. Ein zweiter Punkt ist: dass Hochzeitkränze die Braut und den Bräutigam schmückten. Statt des allen Keuschlam und der Krausemünze kam wohl die der Venus heilige Myrte hier am meisten in Gebrauch. Drittens war die Prozession mit Musik und Fackeln begleilet; so schon in der ältesten Schilderung auf Achilles Schilde (Iliade XVIII. 492 ff.). Hierin spricht sich offenbare Nachahmung des Hochzeitfestes aus, das jährlich der

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