Welche künstliche organe gibt es

Zu altern ist an sich nicht schlimm. Jedoch gerät der Mensch mit zunehmendem Alter nicht allzu selten in die Situation, in der er medizinische Hilfe benötigt – im Extremfall vielleicht sogar ein künstliches Organ ...

Versagt ein Organ, kann es schnell aus sein. Deshalb sollen sich immer mehr Menschen für die Organspende aussprechen und dies mit dem entsprechenden Ausweis festhalten. Tatsächlich gibt es nämlich viel mehr Erkrankte als verfügbare Organe. Zuweilen sind die Wartelisten der Kliniken sehr lang – ein Umstand, der Medizintechniker dazu bewegt, sich über alternative Lösungen Gedanken zu machen.

Die Idee, ein künstliches Organ zu erschaffen, ist nicht neu: Bereits in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts behandelte der Mediziner Georg Haas die ersten nierenkranken Patienten mit einem Blutreinigungssystem. Diese Methode, im Volksmund „Blutwäsche“ genannt, setzen heutzutage nicht nur deutsche Kliniken weiterhin ein, auch weltweit gilt es als das Standardverfahren (Hämodialyse). Die von Haas eingesetzte Schlauchniere stellt in der Medizingeschichte das erste künstliche Organ dar, das Mediziner beim Menschen einsetzten. Das Verfahren, das bei der künstlichen Lunge zum Einsatz kommt, ähnelt technisch gesehen dem der Hämodialyse.

Die Anzahl an jenen Patienten, die auf den Wartelisten der Fachkliniken stehen, ist hoch – oftmals sehr hoch. Als tragisch zu bewerten ist die Tatsache, dass das Verwaltungspersonal etliche Patienten wieder von der Liste streicht, weil sie nicht mehr länger ohne das Spenderorgan am Leben bleiben konnten. Umso wichtiger erscheint die Frage: „Brauchen wir künstliche Organe, um das Leben zu erhalten?“. Diese ist mit einem deutlichen Ja zu beantworten. Allerdings muss man hierzu besondere Grundlagen schaffen. Denn ohne biokompatible Kunststoffe ist es unmöglich, die Idee von künstlichen Organen umzusetzen.

Es klingt ein wenig nach Science-Fiction; man fühlt sich gar an dystopische Filme wie „Blade Runner“ (1982) erinnert. In dem Kultstreifen hat es der Protagonist längst mit seinem reproduzierten Selbst zu tun, mit komplett künstlichen Menschen, die sich nicht von natürlich geborenen Menschen unterscheiden lassen. Die Story wiederum nimmt gentechnologische Entwicklungen vorweg, die die Gesellschaft erst in jüngerer Zeit beschäftigen. Das Klonen von Lebewesen ist unter bioethischen Gesichtspunkten fragwürdig und für viele Menschen aus religiösen Gründen nicht vertretbar.

Wer künstliche Organe herstellt, verfolgt andere Absichten, zumal sie laut Prof. Prof. h.c. Dr.-Ing. M.Sc. Birgit Glasmacher und Dr. Jörg Vienken „technischen Systemen entsprechen, mit denen physiologische Prozesse des Körpers im Sinne eines Organersatzes so nachempfunden werden, dass Patienten mit versagenden Organen […] auch über längere Zeiträume überleben können“. Deswegen gelten künstliche Organe „gemeinhin als die Königsklasse der Medizintechnik“, so die Experten (Quelle: „Brauchen wir künstliche Organe?“; Medizintechnik, Ausgabe 06/2019).

Der Mensch strebt nach Höherem, nach Perfektion und ewigem Leben. Tatsächlich stellt sich jedoch die Frage, ob man ein Leben, das im Grunde zu Ende geht, um jeden Preis erhalten sollte. Wäre es nicht sinnvoller, sich gesünder zu ernähren, mehr auf sich und seinen Körper zu achten? Also achtsamer im Umgang mit sich selbst und seinem Körper umzugehen? Diese Überlegungen erscheinen gerade angesichts all des Frusts, der entsteht, wenn ein geliebter Mensch schwer erkrankt, umso klüger. Dies entlastet im größeren Kontext nicht nur Einzelne, sondern letztlich viele Teile der Gesellschaft – auch unser Gesundheitssystem. Glasmacher und Vienken weisen zudem darauf hin: „Die technische Perfektionierung von künstlichen Organen ist mit langen Entwicklungszeiten bei gleichzeitig hohen Kosten verbunden“.

Nun, gäbe es keine biokompatiblen Kunststoffe, gäbe es auch keine künstlichen Organe. Daher hat die Biokompatibilität von Polymeren einen hohen Stellenwert. Den Experten nach habe man sich „lange Zeit darüber gestritten, wie die Biokompatibilität eines Kunststoffs zu verstehen ist“. Nach etlichen Diskussionen habe man sich auf die Definition der Europäischen Gesellschaft für Biomaterialien geeinigt: „Biokompatibilität ist die Fähigkeit eines Materials, in einer spezifischen Anwendung eine adäquate Patientenreaktion hervorzurufen.“ Das bedeute, dass ein Polymer bei einer Anwendung ausgezeichnet abschneiden und bei einer anderen aber versagen könne. Die Aussage „Wir haben für diese oder jene Anwendung einen biokompatiblen Kunststoff eingesetzt“ sei daher immer mit Vorsicht zu genießen.

Künstliche Gelenke kommen neuerdings aus dem 3-D-Drucker. Weshalb nicht auch künstliche Organe wie das Herz? Schließlich ist es Polymerforschern inzwischen gelungen, „mithilfe von Laserstrahlen beliebige 3-D-Strukturen als flexible Kunststoffvorlagen für solche weichen Organe herzustellen“, habe ich kürzlich in der WirtschaftsWoche gelesen. Hierbei greifen die Forscher gezwungenermaßen sogar darauf zurück, wie es dem Körper mit Hilfe von Enzymen gelingt, eine Blutung zu stoppen. Vorteil wiederum sei, dass es zu weniger Abstoßungsreaktionen komme, wenn man dem Patienten Blut abnehme, mit dem man eine Basis für das künstliche Organ erhält.

Das klingt ja wirklich superspannend, denke ich. Dennoch sagt mir mein gesunder Menschenverstand: Lässt sich das schon im großen Maßstab umsetzen? Offensichtlich noch nicht, sind unsere Organe doch immens komplex – kein Vergleich zu unseren Knochen. Andererseits machen die Entwicklungen Hoffnung für all jene Menschen, die dringend auf ein neues Organ angewiesen sind.

Der Bundestag hat beschlossen, dass sich Menschen zukünftig konkreter mit dem Thema Organspende auseinandersetzen sollen. Das stellt eine Mammutaufgabe für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) dar, die die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren soll. Darüber hinaus ist eine neue Datenbank notwendig, sodass es den Bürgerinnen und Bürgern ab März leichter fällt, ihren Spenderwillen mitteilen zu können. Kliniken wiederum haben so die Möglichkeit, einzusehen, ob eine Erklärung zur möglichen Organentnahme vorliegt oder nicht.

Frank Magdans, Referent Kommunikation

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Welche künstliche organe gibt es

Die US-Firma HART (Harvard Apparatus Regenerative Technology) züchtet mit Hilfe von Kunststofffasern und Stammzellen künstliche Luftröhren.

Foto: HART

Das Prinzip der künstlichen Luftröhren: Aus Kunststofffasern wird ein nur wenige Mikrometer dünnes Gerüst angefertigt, dessen Form an den Patienten angepasst ist. Daran werden Stammzellen aus dem Knochenmark des Patienten angelagert. Das Gerüst wird dabei gedreht und dabei mit den Stammzellen berieselt. In einem Inkubator entwickeln sich die Zellen zu den Zellen einer Luftröhre. Nach zwei Tagen wird die so produzierte künstliche Luftröhre dann verpflanzt.

Das Verfahren wurde von der Bostoner Firma Harvard Apparatus Regenerative Technology (HART) entwickelt. Die letzten vier experimentellen Operationen mit künstlichen Luftröhren seien alle mit HART-Exemplaren gemacht worden, sagt David Green, Chef des Unternehmens.

Andere künstliche Organe wie Herzklappen, Speiseröhren und Nieren sollen folgen

Fünf Tage nach der Transplantation würden an dem synthetischen Organ weitere Zelltypen entstehen, darunter solche, die das Innere der Röhre auskleiden, erläutert Green. An dieser Oberfläche kann dann Lungenschleim haften bleiben, der über den Husten aus der Lunge in die Röhre transportiert wird. Nach einiger Zeit würden auch neue Blutgefäße in die Röhre hineinwachsen.

Mit dieser Technologie will HART in Zukunft auch andere Organe produzieren: Herzklappen, Speiseröhren oder Nieren. Für die Medizin wäre das ein echter Durchbruch: Allein in Deutschland warten 11.000 Menschen auf ein Spenderorgan, 8.000 von ihnen brauchen eine neue Niere. Täglich sterben auf der ganzen Welt Patienten, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Spenderorgan gefunden wurde.

Weltweit verschiedene Ansätze zur Herstellung künstlicher Organe

Forscher auf der ganzen Welt beschäftigen sich deshalb auch mit der Entwicklung künstlicher Organe. Dabei gibt es verschiedene Ansätze: Es gibt Versuche mit Ink-Jet-Verfahren, in denen die Zellen aus Druckdüsen auf Gerüste aufgebracht werden, Geforscht wird außerdem an Zellkulturen, die sich spontan selbst organisieren und zu Proto-Organen formen. „In den vergangenen 25 Jahren ist aus der einstigen Vision, die mehr mit Science-Fiction gemein hatte, eine Ingenieuranwendung geworden“, sagt Joseph Vacanti, einer der führenden Experten in der Gewebezucht-Forschung. Seiner Ansicht nach führt der einzige Weg, den Bedarf an Organen zu decken, über die Herstellung synthetischer Organe.

Die Luftröhren-Technologie von HART wird derzeit in Russland getestet, Versuche in der EU sollen in diesem Jahr folgen. In Abstimmung mit der US-Aufsichtsbehörde FDA bereitet HART außerdem eine Testreihe in den Vereinigten Staaten vor. 

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